SZ-Werkstatt:Ära des Verfalls

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SZ-Literatur-Redakteur Felix Stephan. (Foto: Jakob Michael Berr)

Wenn ein SZ-Literatur-Redakteur wie Felix Stephan die Frankfurter Buchmesse besucht, wird er zu vielen Gesprächen eingeladen. Um welches Thema es meistens geht? Natürlich den allseits kolportierten Niedergang des Buches.

Von Felix Stephan

Auf meiner ersten Frankfurter Buchmesse als Literatur-Redakteur der SZ habe ich das erste Mal im Radio diskutiert. Das bringt der Job mit sich: Man bekommt Einladungen zu Podiumsgesprächen, Radiointerviews, Eröffnungsvorträgen, in denen es um das sehr, sehr weit gefasste Thema "Literatur" geht. Außerdem geht es um die Lage der Branche, wobei häufig Beschwerden ausgetauscht werden - weil es eben nicht leicht ist, so etwas Unpraktisches wie Bücher zu verkaufen.

Seit einigen Jahren kommt die digitale Revolution, die schon über die Film- und Musikindustrie hinweggerollt ist, mit etwas Verspätung auch im Buchhandel an, was zu teilweise dramatischen Veränderungen führt, die man vielleicht so zusammenfassen kann: Immer weniger Deutsche kaufen Bücher, aber die, die noch immer Bücher kaufen, geben mehr Geld dafür aus. Der Umsatz bleibt also relativ stabil, die Kundenbasis aber wird kleiner, das Buch verliert seinen Status als Leitmedium.

Als das Radiogespräch vorbei war, fragte mich der Redakteur, wieso ich mich ausgerechnet für diesen Beruf entschieden habe. Er hat die großen Zeiten der Tageszeitung noch erlebt, die Zeiten von Henning Ritter, Marcel Reich-Ranicki, Frank Schirrmacher, die Zeiten, in denen das ganze Land in Erwartung des neuen Walsers geradezu bebte. In den Augen seiner Generation ist die literarische Gegenwart vor allem eine Ära des Verfalls. Ich konnte die Frage leicht beantworten: Dass es Leute gibt, die sich allen Einwänden zum Trotz an den Schreibtisch setzen und jahrelang an einem belletristischen Text arbeiten, obwohl sie davon ausgehen müssen, dass er von der Welt nicht nur zurückgewiesen, sondern wahrscheinlich sogar ignoriert wird, ist in jedem Falle erst einmal interessant. Dass man die Gelegenheit wahrnimmt, sich in diesem Kosmos aufzuhalten, erscheint mir eigentlich gar nicht erklärungsbedürftig.

© SZ vom 13.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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