Süddeutsche Zeitung

SZ-Archiv:Das gute Gedächtnis

Die Nutzung des SZ-Archivs hat sich im Lauf der Jahrzehnte von analog zu digital gewandelt - sein Auftrag, dafür zu sorgen, dass Wissen zirkulieren kann, ist so wichtiger denn je.

Von Michael Langgärtner

"Das Zeitungsarchiv ist das Gedächtnis einer Redaktion. (...) Ohne Archive gibt es keinen Qualitätsjournalismus." Heribert Prantl hat diese Sätze gesagt und dadurch seine Wertschätzung für Zeitungsarchive und insbesondere das SZ-Archiv zum Ausdruck gebracht. Wir nehmen an, dass es tatsächlich Heribert Prantl ist, der sich am häufigsten mit Anfragen an das Archiv wendet.

Das SZ-Archiv versteht sich seit seinen Anfängen - mit der Gründung der Süddeutschen Zeitung - als Partner und Dienstleister der Redaktion. Ein Archiv ist nicht um seiner selbst willen da, sondern für seine Nutzer.

Neben Heribert Prantl waren und sind unzählige SZ-Redakteure eifrige Nutzer des SZ-Archivs. Der legendäre Chefreporter Hans Ulrich Kempski, der ein halbes Jahrhundert lang über alle Protagonisten und großen Ereignisse der deutschen und internationalen Politik berichtete, kontaktierte das SZ-Archiv in schöner Regelmäßigkeit. Überliefert ist, dass er sich vor seinen Reportagen und Interviews erst einmal einschlägiges Material aus dem Archiv holte, um sich gründlich vorzubereiten. Das geschah gewiss sehr häufig, wenn man sich vor Augen hält, dass mehr als 1000 große Reportagen von ihm auf der Seite Drei erschienen.

Über zu wenige Anfragen kann sich das SZ-Archiv auch heute nicht beklagen. Die Archivmitarbeiter tragen zur Sicherung der publizistischen Qualität bei. Vieles hat sich in den Zeitungshäusern mit der rasanten Entwicklung der Datentechnologie und der zunehmenden Präsenz des Internets gewaltig gewandelt. Aber die zentrale Aufgabe von Pressearchiven bleibt: die schnelle Versorgung der Redaktion mit verlässlichen Informationen.

Alle Ausgaben der SZ seit dem 6. Oktober 1945 sind nun komplett digital zugänglich

Das SZ-Archiv muss sich dabei heterogenen Anforderungen stellen, denn die Bedürfnisse sind individuell unterschiedlich. Das Spektrum ist breit: Der eine benötigt umfassend Hintergrundmaterial zu einem Thema, der andere nur einen bestimmten Artikel. Die Autoren holen sich Anregungen, statistisches Material oder überprüfen, ob zu einem Thema schon etwas berichtet wurde. Apropos überprüfen: Immer wichtiger wird das Überprüfen von Fakten, das Fact-Checking.

Das SZ-Archiv arbeitet bereits seit gut 20 Jahren ausschließlich digital. Relevante Artikel, also Beiträge aus Zeitungen, Zeitschriften und Fachpublikationen, die für die Redaktion einen Informationswert haben, werden seit der Jahrtausendwende nicht mehr in Themen- und Personenmappen abgelegt, sondern adäquat in der eigenen Pressedatenbank gespeichert sowie formal und inhaltlich erschlossen. Das bis dahin bestehende Papierarchiv wurde als Basis für die Informationsversorgung von dem digitalen Archiv abgelöst.

Nutzer können seitdem selbst in der Pressedatenbank recherchieren, die einen unmittelbaren Zugriff auf Texte aus verschiedenen Publikationen zu Ereignissen, Personen, Institutionen, Themen und Begriffen bietet. Eine Monopolstellung für die Suche nach erschienenen SZ-Artikeln hat der Dokumentar nicht mehr. Aber diese Entwicklung ist nützlich und gewollt. Sie entlastet das Archiv. Einfache Archiv-Recherchen können Redakteure selbst vornehmen, aber immer auch Unterstützung von den Rechercheuren des SZ-Archivs in Anspruch nehmen - vor allem wenn der Zeitdruck groß ist oder sich die Recherche als schwieriger erweist als gedacht. Die Rechercheure können, falls erforderlich, auch externe Online-Datenbanken zurate ziehen.

Und das historische Archiv? Der papierene Schatz, eines der größten Zeitungsarchive in der Bundesrepublik, liefert bei Anfragen mit historischem Bezug nach wie vor wertvolle Dienste. Und dies, obwohl unlängst erfreulicherweise die Retrodigitalisierung der SZ, ein Großprojekt, weitestgehend abgeschlossen werden konnte. Damit sind nun auch die Ausgaben der SZ seit dem 6. Oktober 1945 komplett digital zugänglich und im Volltext durchsuchbar. Wissen soll zirkulieren können. Wie wichtig, dass dieses zeitgeschichtlich bedeutsame Archivgut digital bewahrt wurde.

Ein Kollege hat mit einem Jahr Daueraufenthalt in den Archivräumen alle Rekorde gebrochen

Die Suche nach bestimmten Ereignissen wie beispielsweise nach SZ-Beiträgen zur Eröffnung der Olympischen Spiele von 1972 wird dadurch sehr komfortabel. Da die Redaktion bei ihren Vorbereitungen auf diesen Rückblick an weichen Themen (beispielsweise "Kurioses", "Atmosphärisches") interessiert war, empfahlen wir den Autoren, zusätzlich das Material des historischen SZ-Archivs vor Ort zu sichten. Denn die Papiermappen sind nach Themen geordnet, detailliert erschlossen und enthalten neben den SZ-Artikeln auch Beiträge aus anderen Publikationen. Viele aktuelle SZ-Artikel zu den Olympischen Spielen von 1972 basieren auf diesem Archivmaterial.

Knud von Harbou, der ehemalige stellvertretende Leiter des Feuilletons, hätte sich hingegen manchen Aufwand sparen können, wenn ihm für sein Buch, das 2015 über die Gründungsjahre der SZ und der jungen Bundesrepublik ("Als Deutschland seine Seele retten wollte") erschien, bereits die Seiten sämtlicher Jahrgänge digitalisiert zur Verfügung gestanden hätten. Er ist wohl der Nutzer, der am längsten für ein Projekt im Archiv recherchiert hat. Er war etwa ein Jahr lang unser Gast. Die Gesamtzahl der Jahrgänge 1945 bis 1955, die er in SZ-Bänden durchsah, umfasste 30 783 Seiten. Knud von Harbou hat im Archiv mächtig Eindruck hinterlassen.

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