"Um Leben und Tod" vom 7./8. Mai:
Vorsicht, Juristerei!
Wegen meines Doktortitels fragen mich die konsultierten Ärzte oft: "Sind wir Kollegen?" Wenn ich dann sage: "Nein, ich bin Jurist", kommt es prompt: "Oh, da muss ich aufpassen." Wieso diese Phobie vor dem Recht im Allgemeinen, frage ich mich. Wie soll ein Arzt dann erst mit der Rechtslage der Selbstbestimmung am Lebensende, zum Beispiel "am Sterbebett" eines Patienten, zurecht kommen?
Der Artikel "Um Leben und Tod" in der Süddeutschen Zeitung veranschaulicht diese Frage sehr gut als Thema und Problematik. "Niemand darf gegen seinen Willen am Leben gehalten werden", vermittelt der Artikel als die Botschaft von Wolfgang Putz, der sich als Münchner Rechtsanwalt langjährig nicht nur mit juristischem, sondern wohl auch sehr viel mit menschlichem Engagement mit den rechtlichen Zusammenhängen eines selbstbestimmten Sterbens auseinandersetzt.
Eine Vielzahl ethischer und religiöser Empfehlungen zum "ordentlichen Sterben" scheint mir meist wohlformuliert den Begriff der individuellen Freiheit umgehen zu wollen. Diese beinhaltet, meiner Meinung nach, ultimativ auch die freie Willensentscheidung über das Ende des eigenen Lebens. Dem Bundesverfassungsgericht sei es gedankt, dies mit seinem Grundsatzurteil kürzlich festgestellt zu haben. Ich sage bewusst "festgestellt", weil dieses spezielle Freiheitsrecht keine juristische Kreation, sondern Bodensatz eines existierenden Grundrechts ist.
Dieses Grundrecht nun insbesondere der Ärzteschaft im Zusammenhang mit Sterbehilfe verständlich zu machen, ist nicht nur eine juristisch schwierige Aufgabe. Eine Patientenverfügung kann in diesen Fällen sicherlich hilfreich sein, löst aber nicht die zuverlässige Interpretation der Sterbehilfe, die passiv oder aktiv sein kann.
Die meisten Menschen haben weniger Angst vor dem Tod als vor dem Sterben. Jämmerlich, würdelos oder schmerzhaft sterben zu müssen, mag nicht immer palliativ versorgt werden können. Und ob derzeit die im Bundestag "fraktionsübergreifenden" Entwürfe geeignet sein werden, um diese Ängste sowohl der betroffenen Patienten wie auch der behandelnden Ärzte durch eine vorgesehene Sterbehilferegelung zu mildern, ist aus meiner Sicht fraglich.
Hoffentlich schafft es aber die leidige "Juristerei" endlich einmal, wenigstens den aufgeschlossenen Ärzten rechtliche Klarheit und Sicherheit zu geben, die nicht bereit sind, bei allem Respekt vor oder gerade in Übereinstimmung mit dem hypokratischen Eid, ihre todgeweihten Patienten bis zum bitteren Ende zu therapieren.
Dr. Lando Lotter , Höchberg
Keine Rechenschaft schuldig
Mir geht das alles nicht weit genug. Ich möchte gehen können, wann ich will - auch kerngesund und ohne Rechtfertigung irgend jemandem gegenüber. Im Moment ist das nur mit bestimmten Suizid-Varianten möglich. Das ist entwürdigend.
Und die Freigabe der Medikamente über einen Arzt für einen selbstbestimmten, würdevollen Abschied ist überfällig.
Thomas Strack , München