Sprachlabor:Wie ist mir denn?

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Wenn ein Satz mit "Mir ist, als" beginnt und Unwirkliches folgt - welche Zeit verwenden wir da? Das erklärt Hermann Unterstöger. Und auch die Frage, was es mit der Floskel "regelrechte Hinrichtung" eigentlich auf sich hat.

Von Hermann Unterstöger

AUS BEISPIELEN wird man auch nicht unbedingt schlau. Hier drei Sätze, die mit "Mir ist, als" beginnen. Satz eins: "Mir ist als ob ein blick im dunkel glimme" (Stefan George). Satz zwei: "Mir ist, als hört' ich Becherklang" (Friedrich Weber). Satz drei: "Mir ist, als ob ich beten soll" (Muttertagsgedicht). In all diesen Fällen hat der Nebensatz Unwirkliches zum Inhalt, doch wird der Irrealis einmal mit dem Konjunktiv I ausgedrückt, einmal mit dem Konjunktiv II und einmal mit dem Indikativ Präsens. Dies als Trost für den Kollegen W., der zu verzweifeln droht, weil seinem Gefühl und seiner Leseerfahrung nach dem Konjunktiv II sein legitimer Platz beim Irrealis streitig gemacht wird. Auch bei uns im Blatt finden sich Sätze wie "Ihre Antwort klingt, als sei alles in bester Ordnung", und man hat den Eindruck, dass der Konjunktiv I bevorzugt wird, weil der Nebensatz nach indirekter Rede riecht ("Sie sagt, alles sei in bester Ordnung") oder weil sei lockerer klingt als wäre. Was unser erstes Beispiel anlangt, so hätte George sicherlich lieber glömme geschrieben, aber dann hätte die korrespondierende Verszeile womöglich diese Form bekommen: "So rührte mich dein schritt und deine stömme."

IN POLIZEIBERICHTEN heißt es zu Unterwelt-Morden oft, es habe nach "regelrechter Hinrichtung" ausgesehen, eine Qualifikation, die von der Presse meist übernommen wird. Damit soll natürlich nicht gesagt werden, dass die Untat in all ihren Elementen dem entsprochen habe, was einst in Halsgerichtsordnungen für das Befördern vom Leben zum Tode festgesetzt worden war. Zu ihrer Zeit hat man Hinrichtungen nach diesen Vorschriften als gesetzesgerecht angesehen, doch ist der "regelrechten Hinrichtung" ein Bedeutungswandel des Sinnes widerfahren, dass ihr eben kein sauberes rechtsstaatliches Verfahren vorausgegangen ist. Die Redensart von der "regelrechten Hinrichtung" hat sich leider etabliert, doch ist Leserin K.s Wunsch nach einer "passenderen Wortwahl" mehr als verständlich.

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