Sprachlabor:Was besorgt hier wer?

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Über die Gefahren der Konstruktion "Das besorgt mich", van Goghs "abbes Ohr" und adverbiale Verstärkungen.

Von Hermann Unterstöger

ES HÄNGT WOHL mit der sachte schleichenden Auswattierung der Sprache zusammen, dass man in gewissen Kreisen nicht mehr "Das macht mir Sorge" sagt, sondern "Das besorgt mich". Selbst ein tiefer Griff in Grimms Wörterbuch bringt keinen Beleg dafür zutage, dass besorgen jemals so verwendet worden wäre. Allenfalls stößt man auf das Reflexivum sich besorgen, etwa bei Lessing, der einmal schreibt: "Denn ich müsste mich der Gegenfrage besorgen: warum ..." - ein Gebrauch, der längst erloschen ist. Dafür haben wir nun besorgen im Sinn von bekümmern oder ängstigen. Es strahlt Betroffenheit aus, ist aber auch für komische Wirkungen gut. Zum Beweis dessen besorgte uns Leser F. die Überschrift "Gewalt bei Protesten besorgt Regierung", die so gelesen werden kann, als wären die Protestler derart lasch, dass die Regierung die Gewalt beisteuern muss.

RÖTGER FELDMANN alias Brösel stellt in einem autobiografischen Abriss die Frage: "Wie kann man denn bei ausses Licht und zues Fenster abbe Knöpfe annähen?" Die Antwort schenken wir uns, nicht aber die Anmerkung, dass das bei uns kürzlich erwähnte "appe Ohr" Vincent van Goghs mit "bb" zu schreiben ist, wie das "abbe Bein" in Waldemar Bonsels' "Biene Maja", an das Leserin Sch. sich bei dieser Gelegenheit erinnerte.

UM ZU ERUIEREN, was die Stimme des Menschen über dessen Persönlichkeit zu sagen hat, wurden viele Stimmen aufgenommen, und so "verfügten die Forscher über einen messbaren Wert statt über einen reinen, subjektiven Eindruck". Unser Leser R. verfügte nach Lektüre dieses Satzes über den keineswegs rein subjektiven, sondern anhand der Grammatik objektiv erhärtbaren Eindruck, dass rein hier nicht als eines von zwei gleichberechtigten attributiven Adjektiven hätte verwendet werden dürfen, sondern als adverbiale Verstärkung für die Charakterisierung subjektiv. Das heißt: Für R. war das kein Eindruck, sondern eine totale, klare Sache - äh, natürlich eine total klare Sache.

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