Sprachlabor:Vor, seit und Klamotten

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Präpositionen richtig zu setzen, ist zuweilen Kleinkunst. Ein Satz mit ,,Goethes Klamotten" ist natürlich ein Stilbruch.

Von Hermann Unterstöger

NUR EIN PAAR TAGE liegen zwischen diesen Formulierungen: "Seit knapp einem Jahr leitet die 57-Jährige den Verein" und "Seit knapp einem Jahr haben die beiden Köche den Laden eröffnet". Welcher Satz falsch ist, nämlich der zweite, wissen außer der Verfasserin alle, so auch Leser G., der den Kasus anzeigt. Die Sache ist vergleichsweise einfach. Um die Grammatik zu zitieren, so kennzeichnet die Konjunktion seit ein Verhalten, das bis zur Gegenwart des Sprechers andauert. Deswegen kann seit auch nur bei durativen Verben stehen, die, wie ihr vom lateinischen Verb durare (dauern) abgeleiteter Name sagt, ein andauerndes Geschehen bezeichnen Das Eröffnen eines Ladens ist üblicherweise kein andauerndes Geschehen, sondern in ein paar Minuten vorbei. Danach ist der Laden geöffnet, und das seit knapp einem Jahr.

VERGREIFEN SCHÜLER SICH im schriftlichen Ausdruck, malen die Lehrer ein rotes "A" an den Rand. Leser T. verzichtet zwar auf dieses Korrekturzeichen, findet es aber im Bericht über den Eurofighter-Absturz verfehlt und höchst unpassend, die kontaminierten und deshalb zur Vernichtung bestimmten Monturen der Einsatzkräfte als "Klamotten" zu bezeichnen. Was, fragt Herr T., hielte man davon, "wenn in einer germanistischen Arbeit zu lesen wäre, dass nach Werthers Suizid sich alle Welt seine Art von Klamotten zulegte"? Bei Goethe trägt Werther bis zum Ende seinen blauen Frack mit der gelben Weste und den gelben Beinkleidern, und wenn er heute so, vielleicht sogar mit den braunen Stulpenstiefeln, unter die jungen Leute träte, würden diese möglicherweise sagen, der Mann habe aber schicke oder, wahrscheinlicher, coole Klamotten. Ob die Klamotten, die in der Alltagssprache einen gesicherten Platz haben, im Zusammenhang mit dem Unglück eine Ausdrucksverfehlung darstellen, wird strittig bleiben. Den Einsatzkräften bleibt es natürlich unbenommen, ihre Arbeitskleidung so zu nennen. Die Berichterstatter sollten aus Respekt davon Abstand nehmen.

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