Sprachlabor:Von Sprachvielfalt, Denklern und zwei Punkten

Warum man das Modewörtchen ,,wohl" meist gut ersetzen kann. Neue Anwendungen zum Trema und wie schlechte Übersetzungen wirken.

Von Hermann Unterstöger

SPRACHLICHE VIELFALT ist, in Hamlets Worten, "ein Ziel, aufs Innigste zu wünschen". Leserin B. erinnert daran im Hinblick auf das Wörtchen wohl, das sie auch bei uns in inflationärem Gebrauch vorfindet. Sie sähe es von Fall zu Fall gern durch Synonyme wie wahrscheinlich, vermutlich oder alles deutet darauf hin, dass ersetzt, und "als deutlich skurril" erlebt sie es in Überschriften wie "Er wurde wohl ermordet". So sehr Frau B. beizupflichten ist, mit der Skurrilität muss sie weiterleben, da gerade in Überschriften Kürze gefordert ist. Die Version "Alles deutet darauf hin, dass er ermordet wurde" würde sofort zusammengestrichen.

APROPOS SKURRIL: Der liebe Kollege E., vormals Zeit, sucht Sympathisanten für sein Vorhaben, das Trema wieder in seine alten Rechte einzusetzen. Es handelt sich dabei um ein Diakritikon in Gestalt zweier Punkte über einem von zwei Vokalen, das zeigt, dass die Vokalfolge zweisilbig realisiert werden soll. Wäre das Trema nicht so gründlich aus der Mode, könnte man es beispielsweise bei Seeelefant verwenden, um den Elefanten von der See zu trennen: Seeëlefant. Herr E. würde es nun gern bei einem Wort der Stunde neu einführen: bei geimpft, das dann geïmpft zu schreiben wäre. Sagen wir mal so: Sollten mehr als zwei Drittel aller Deutschen das Wort irgendwann als "gaimpft" aussprechen, sind wir mit von der Partie.

DAS SUFFIX -ler hat oft einen pejorativen Beiklang, man denke an den vom Gewinner klar getrennten Gewinnler oder an den Denkler, den Campe - zusammen mit dem Afterdenker - als Pendant für den Philosophaster vorgeschlagen hat. Wie ist das beim Zivilgesellschaftler, über den sich Leser A. geärgert hat? Seiner Ansicht nach ist schon die Zivilgesellschaft eine schlechte Übersetzung aus dem Englischen und insofern überflüssig, als wir ja die bürgerliche Gesellschaft haben. In seinem Grimm setzt Herr A. noch eins drauf: Wie wird man Zivilgesellschaftler? Über "ein Seminar an der Munich School of Perpetual Competent New Journalism".

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