Sprachlabor:Von Eselsbrücken und Zählarbeiten

Sprachlabor: undefined

Warum von 380 Titeln, Unter- und Zwischentiteln in einer SZ-Ausgabe 23 mit Fragezeichen endeten und die Statistik einem hier nicht weiterhilft.

Von Hermann Unterstöger

DIE ESELSBRÜCKEN zählen zu den bestfrequentierten Bauwerken im Verkehrsgewirr der Grammatik. Eine von ihnen soll von dem vielerorts für trügerisch gehaltenen das/dass-Sumpf auf trittsicheres Gelände führen und lautet folgendermaßen: "Das s im das, es bleibt allein, / pa sst dieses, jenes, welches rein." Ob jemandem, der zwischen Konjunktion und Pronomen nicht unterscheiden kann, mit dem Gedicht geholfen ist, mag offenbleiben. Die bei der SZ beschäftigten Autoren sind mit der Materie in aller Regel vertraut. Trotzdem beugen sie sich der Rüge unseres Lesers E., der das "Holz ..., dass hätte Feuer fangen können" an den Pranger stellte. Die ses dass war, um eine andere Eselsbrücke zu betreten, genau das dass, das man mit einem s schreibt.

MIT EINER STATISTIK rückt Leser Sch. an. Seiner Beobachtung zufolge "endet mindestens ein Viertel aller Überschriften und ein Drittel aller Untertitel mit einem Fragezeichen". Sein Urteil: "Eine nahezu flaschige Unentschiedenheit", weil oft gar keine Antwort geboten, sondern nur darüber berichtet werde, "dass es eine Frage gibt, dass Zweifel existieren". Er hingegen erwarte sich Gewissheiten. Ob er zu streng sei? Wahrscheinlich, denn die Zeitung, die nur Gewissheiten liefert, muss erst erfunden werden. Die bestehenden Blätter rechnen es zu ihren Aufgaben, auch Fragen aufzugreifen - und wie anders als mit Fragezeichen sollte man diese kennzeichnen? Dass Fragezeichen die Leser stark ansprechen, haben Untersuchungen erhärtet. Zudem muss es ja nicht bei der Frage bleiben. In der Ausgabe vom 18./19. Juli wurde im Hinblick auf den Enkel des letzten Königs von Italien im Untertitel gefragt: "Was treibt ihn an?" Die Antwort im Text war so umfassend wie möglich, die Fangfrage also kein leerer Schall. Was übrigens jene Wochenendausgabe angeht, so haben wir unter deren gut 380 Titeln, Untertiteln und Zwischentiteln nur 23 Exemplare mit Fragezeichen gefunden, also etwa sechs Prozent. Mit dabei: "Wo war die Bafin?", eine extrem haltbare Frage, fast schon Stehsatz.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: