Süddeutsche Zeitung

Sprachlabor:Von der Verpreußung der Heidi

Wie aus einem Almöhi ein Alpöhi werden konnte, warum der AfD auch mit Heiratsdiplomatie nicht beizukommen ist, und warum einige Prädikate immer wieder Ärger machen.

Von Hermann Unterstöger

DAS MEHRTEILIGE PRÄDIKAT gilt unter Nichtdeutschen als Stolperstelle. Muttersprachler haben damit weniger Probleme, doch kommt es auch bei ihnen oft zu Pannen. Unser Leser H. meldet eine von ihnen, und zwar in diesem Satz: "Neu ist auch, dass Schüler jüdische Stätten (...) besuchen sollen können." Es gibt dazu ein üppiges Regelwerk, jenseits dessen Herr H. halb weiß, halb fühlt, dass es "besuchen können sollen" oder "sollen besuchen können" heißen muss. Dem würden wir uns wollen angeschlossen haben.

MAN ERWARTET fast ein "Und abermals krähete der Hahn", so wehklagend ruft uns Leser Dr. E. zu, dass wir den Almöhi aus "Heidi" dreimal "zum Alpöhi verpreußt" hätten. Um Druck abzubauen, sei der Brockhaus herangezogen, der Alp als alemannisch für Alm führt und sagt, Alp sei "v. a. in der Schweiz gebräuchlich". Sieht man von der demnach wohl doch nicht verübten Verpreußung ab, so hat Herr E. recht: In der Erstausgabe von "Heidi's Lehr- und Wanderjahren" (Gotha 1880) heißt der Alte "Alm-Oehi". Er ist Heidis Großvater, obwohl der Öhi, wenn's mit rechten Dingen zugeht, ein Onkel mütterlicherseits sein müsste, als Oheim das Pendant zur Tante alias Muhme.

EINE "NEUE FORM des Nepotismus oder eine Renaissance der Heiratsdiplomatie" sah Leser Dr. S. herannahen, als er in der Online-Ausgabe unter einem Bild mit drei AfD-Männern diesen Text vorfand: "Gesandte der Partei der wachsenden Zustimmung - Koalitionspartner lassen sich jedoch mit Nichten finden." Und wenn die Nichten versagen? Dann müssen sie wohl oder übel ihre Neffen auf die Suche nach Koalitionspartnern schicken.

WAS HABEN DIE LESER nicht schon geschimpft, wenn Burgen geschliffen wurden! Jetzt hatten Herr R. und Herr G. die Freude zu lesen, dass "gefräst und geschleift" wurde und dass an einer Reform "viele Beteiligte geschleift" haben. Fehlte nicht viel, und die Träne wäre ihnen gequellt.

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Quelle:
SZ vom 05.10.2019
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