Sprachlabor:Wo steht der Greif?

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Was versteht man unter einer Drittbesitzverschaffung? Und wie erzielt man Aussagepräzision bei Reflexivpronomina? Dazu einige Laborbefunde.

Von Hermann Unterstöger

DIE PRÄZISION der Juristensprache erschließt sich leicht, wenn es zum Beispiel um die "Leihe" von zwei Eiern geht. Dabei handelt es sich nämlich nicht um eine Leihe nach § 598 ff. BGB, sondern um ein Sachdarlehen nach § 607 ff. BGB. Was aber hat man unter einer Drittbesitzverschaffung zu verstehen? Leser Dr. F. ist der Meinung, dass das Wort eigentlich Drittbesitzbeschaffung lauten müsste, ist sich aber unsicher. Seine Unsicherheit ist begründet, da wir es hierbei mit dem Zugänglichmachen von kinderpornografischen Inhalten gegenüber Dritten - § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB - zu tun haben, also mit einem Verschaffen. Dass dem ein Beschaffen vorausgeht, versteht sich, ist jedoch anderweitig geregelt.

DAS REFLEXIVPRONOMEN ist seinem Wesen nach rückbezüglich, und zwar in aller Regel auf das Subjekt: Ich wasche mich. Die Meldung über den Deal, wonach der frühere Audi-Chef Rupert Stadler "alle Vorwürfe gegen ihn bestätigt", brachte Leser N. zum Nachdenken darüber, ob mit "ihn" womöglich eine dritte Person gemeint sein könnte. Sein Versuch, "ihn" durch "sich" zu ersetzen, machte die Sache nicht klarer, denn nun sah es aus, als habe Stadler selbst die Vorwürfe gegen sich erhoben, während es doch andere gewesen waren, genauer gesagt die Staatsanwaltschaft München II. Da er schon mal dabei war, nahm sich N. auch die Aussage vor, Leute wie König Charles III. seien "abhängig von den Beratern um sie herum". Hier müsse, sagt er, "sich" statt "sie" stehen. Das kann man auch anders sehen, denn die Berater kreisen ja nicht um sich herum, sondern um sie, nämlich um Leute wie Charles.

UNTER DEN HÄUFIG falsch geschriebenen Wörtern nimmt neben dem Obulus, der Triologie und dem Einfallspinsel der Stehgreif einen soliden Platz ein. Als uns Leser H. dabei ertappte, griff er zu Pseudoparallelen wie dem Wandergreif und dem Fluggreif, und so sei denn wieder einmal daran erinnert, dass der Steg|reif einst eine Art Steigbügel war, woraus die Metapher "aus dem Stegreif" erwuchs. Bedeutung laut Grimm: "gleichsam wie der fröhliche reitersmann schnell noch etwas erledigt, auch wenn er schon im sattel sitzt ..."

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