Sprachlabor:Schlag nach bei Schiller

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Seit wann das Wort "erwarten" mit "sich" gebildet werde, will ein Leser wissen. Ein anderer stört sich an dem Wort "in" beim Satz, "in Friedrich Merz" greife Merkels größter Antipode nach der Macht. Ein Blick in deutsche Klassiker hilft weiter.

Von Hermann Unterstöger

NEUMODISCH kommt Leser W. die Formulierung vor, "in Friedrich Merz" greife Merkels größter Antipode nach ihrem Stuhl; hätte es "mit Friedrich Merz" geheißen, wäre ihm die Sache nicht weniger aufgestoßen. Die Kritik ist so alt wie jene Todesanzeigen, die etwa einem Verstorbenen nachrühmen, mit ihm sei ein guter Freund gegangen: Wer denn noch habe wegmüssen, pflegt man dann scherzhaft zu fragen. So neu, wie Herr W. vermutet, ist diese Verwendung von in und mit jedoch nicht. Im Bezug auf die "Horen" schrieb Schiller am 13. Juni 1794 an Goethe, dass sich "in dem Buchhändler Cotta" bereits ein Verleger gefunden habe. Grimms Wörterbuch führt dieses spezielle in als Kurzform von "in der Person jemandes", und beim ähnlich verwendeten mit sieht es "die zur Einheit gewordene Verbundenheit" angedeutet. Das Beispiel dazu - "mit ihr zog das Glück in meinem Hause ein" - ist sicher nicht so zu verstehen, dass die Frau unter der Hand noch einen Dritten mitbrachte.

"SEIT WANN", fragt Leser W., "wird erwarten mit sich gebildet?" Einen genauen Zeitpunkt können wir nicht nennen, wohl aber eine Stelle aus der Literatur, zufälligerweise wieder von Schiller. In dessen "Jungfrau von Orleans" sagt Dunois über den Bürger in Zeiten des Krieges: "Nichts schont er selber und erwartet sich / Nicht Schonung, wenn die Ehre ..." Der Duden führt sich erwarten als Synonym für erhoffen, sich versprechen und zitiert dazu den Theaterdirektor aus Goethes "Faust": "... und jedermann erwartet sich ein Fest."

MIT DER BITTE, auch an die Jugend zu denken, kritisiert Leser L. die Wendung "doppelt so viel als". Herr L. hat natürlich recht: Die Vergleichspartikeln im Positiv lauten so/wie; wer so/als schreibt, gibt der Jugend ein schlechtes Beispiel. Der Kollege, der mit so/als operierte, ist selber noch sehr jung. Zur Buße muss er jetzt Goethe analysieren: "Da steh ich nun, ich armer Tor! / Und bin so klug als wie zuvor."

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