Sprachlabor:Samt ihres Mannes

Sprachlabor: undefined

Ein Leser merkt an, dass "die skurrile Vorliebe vieler Journalisten für den Genitiv (wo denkende Menschen den richtigen Dativ verwenden) die Höhe des Albernen" erreicht habe. Daher heute ein Sprachlabor zum Genitiv.

Von Hermann Unterstöger

UM DEN STETIGEN WANDEL in der Sprache zu illustrieren, hat der Germanist Heinz Vater einen Aufsatz über die "Kasusveränderungen im gegenwärtigen Deutschen" einmal unter das Motto "Unser keiner lebet ihm selber" gestellt, den Titel einer Motette, den der Komponist - es ist Heinrich Schütz - heute ganz gewiss anders formulieren würde. In Vaters Text ging es unter anderem darum, dass mit der Kasus-Rektion nach Verben und Präpositionen neuerdings verdächtig frei verfahren wird, und der SZ widerfuhr die Ehre, als erstes Fallbeispiel die Formulierung beisteuern zu dürfen, dass der Schriftsteller Jonathan Franzen sich "dem vermeintlich toten Zentrum" middle America annehme. Viele Leser dürften darüber hinweggegangen sein, bei anderen hat sich möglicherweise die Erinnerung an Theodor Körners "Schwertlied" eingestellt, in dem das Schwert zum Reiter sagt: "Bin freien Mannes Wehr; / das freut dem Schwerte sehr."

Dem Leser S. freut diese neue Freiheit durchaus nicht, auch wenn er sich "an Aberrationen wie samt ihres Mannes und gegenüber des Hotels mittlerweile zähneknirschend gewöhnt" hat. Kürzlich stieß er auf die Wendung "entgegen seines Namens", in seinen Augen ein Beleg dafür, dass "die skurrile Vorliebe vieler Journalisten für den Genitiv (wo denkende Menschen den richtigen Dativ verwenden) die Höhe des Albernen" erreicht habe. Dieser Brief steht für viele ähnliche, und es wäre nur zu schön, wenn man den Klagen mit Hinweis darauf begegnen könnte, dass es bei Kurt Tucholsky "alles mit deine Hände" heißt: Der Dialekt darf vieles, was in der Hochsprache unstatthaft ist.

Vater vermutet, dass diese Tendenzen "die Vorstufe zu einer Aufgabe der Kasusmarkierung darstellen (könnten), wie sie in den anderen germanischen Sprachen bereits stattfand". Gut möglich. Bis dahin aber sollten wir das schöne Regelwerk der Kasus-Rektion in Ehren halten, mag der eine oder andere Kollege gleich glauben, er stehe damit, wie es in der SZ schon ein paarmal hieß, "entgegen des Trends".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: