Sprachlabor:Nun ja

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Die Marotte "nun ja" in Sätzen eingeschoben findet sich in der SZ in einem Jahr 600 Mal. Was soll man dazu sagen? Einen Leser jedenfalls stört's.

Von Hermann Unterstöger

IN DER THEORIE hört sich schwierig an, was Leser Dr. D. uns vorhält: einen krassen Verstoß gegen die Regel, dass Präpositionalkonstruktionen nicht auf das Bestimmungswort eines Kompositums, sondern auf dessen Grundwort bezogen sein müssen. In der Praxis geht es um die Formulierung "die erneuerte Denkstätte an die Weiße Rose", mit der gesagt sein sollte, dass es eine erneuerte Stätte gibt, worin der Weißen Rose gedacht werden soll. Bei gängigen Komposita steht das Grundwort rechts, das Bestimmungswort links: Bälle, die mit dem Fuß gespielt werden, sind Fußbälle. In unserem Fall lautet das Grundwort Stätte, wenn nicht gar Stätte an die Weiße Rose. Ein Ausweg aus dem Dilemma wäre das Kompositum Weiße-Rose-Gedenkstätte gewesen.

MIT DEM AUSTREIBEN von echten oder vermeintlichen Unarten hält diese Kolumne sich sehr zurück, erstens, weil sie nicht die Macht hat, zu binden oder zu lösen, und zweitens, weil sich im Lauf der Sprachgeschichte schon manche Unart zur guten Sitte gewandelt hat. Leser A. fragt, wer "Ihren Schreiberlingen" endlich die Marotte austreibe, "an jeder noch so unpassenden Stelle Ihrer Artikel ein ,nun ja' einzufügen". Und da er schon mal bei Laune ist, wandelt er unseren Slogan entsprechend ab: "Seien Sie, nun ja, anspruchsvoll!" Es ist schwer, sich in dieser Sache schützend vor die Redaktion zu stellen. Im Lauf eines Jahres wurde nun ja 600-mal verwendet. Die Palette reicht von "Sie ist sehr jung und, nun ja, rotzfrech" (über ein Mädchenbild des Andrea del Sarto) über "Es ist ja gerade das - nun ja - Schicksal der Bayern" (über den Fußball) bis zu "Er bekam die Rolle - und, nun ja, einen Künstlernamen" (über Hansi Kraus, vormals Hansi Krause). Ob aus der Marotte ein schönes Stilmittel wird? Kein Mensch weiß das, man kommt sich vor wie in der Jobsiade: "Der Inspector sprach zuerst: hem! hem! / Drauf die andern secundum ordinem." Statt "hem, hem" könnte man auch "nun ja" sagen, aber dann würde sich's leider nicht mehr reimen.

© SZ vom 25.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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