Sprachlabor:Mehr Fokus, bitte!

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Einfaches ist so einfach zu verwirren: Will die Regierung von der Industrie Geld? Ist es die Babuschka oder die Matroschka? Und muss Thea Dorn "Wahl-Watcherin" heißen?

Von Hermann Unterstöger

ZU DEN EWIGEN RÄTSELN des Schreibens gehört der dann und wann sich manifestierende Wille, Einfaches zu verwirren und Klares zu trüben. Aus einer Meldung: "Die Staatsregierung erwartet von der Autoindustrie eine finanzielle Beteiligung bei der Nachrüstung von Dieselfahrzeugen." Nach den Regeln des Satzbaus heißt das, dass die Regierung von der Industrie Geld erwartet. Die Überschrift dazu lautete aber dann folgendermaßen: "Dieselnachrüstung soll Industrie mitfinanzieren." Das hörte sich nun völlig anders an, und unser Leser K. findet, dass hier ein "Überschriften-Filou ... die politische Realität des kapitalistischen Wirtschaftssystems in großartiger Ehrlichkeit bis zur Kenntlichkeit entstellt" habe. Wäre dem so, müsste man titeln: Riesenkorn findet blindes Huhn.

LITERATUR UND BASTELN liegen weit auseinander. Man kann nicht in beiden Fächern beschlagen sein, und so kam es, dass unser nach Klagenfurt entsandter Literaturmann einen dort präsentierten Text seiner kunstvollen Verschachtelung wegen mit einer "Babuschka" verglich. Er ist nicht der Erste, der die russischen Schachtelpuppen fälschlicherweise so bezeichnet, doch heißen diese, wie unser Leser H. weiß, Matroschka, genauer gesagt Matrjoschka (Matrëška).

"I FIND THAT BEDAUERLICH", schreibt unser Leser R. und nennt als Gegenstand seines Ärgers die Serie "Wahl-Watcher zur Bundestagswahl". In deren Rahmen wurde Thea Dorn als "Wahl-Watcherin" präsentiert, ohne vernünftigen Grund, wie Herr R. findet. Das Labor schwankt zwischen Loyalität zum Haus und Gram über die Anwanzerei ans Englische, wobei zusätzlich zu fragen ist, ob der Wahl-Watcher nicht schon für sich ein Krepierl ist. Im Englischen gibt es bird-, royalty- und Kremlin-watcher, aber der Wahlbeobachter heißt dort immer noch election observer, voting monitor oder ähnlich. Vgl. dazu Gerhard Polts feine Kreation original candlelight brotzeiting.

© SZ vom 19.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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