Sprachlabor:Makabres

Sprachlabor

Bisweilen fördert eine verkehrte Satzstellung Sonderbares, Unverschämtes und sogar Unappetittliches zutage. Wer etwa das Objekt an den Anfang stellt, riskiert, dass so mancher Leser das falsch verstehen will. Danke für die Hinweise!

Von Hermann Unterstöger

DER SINN FÜRS MAKABRE ist bei unseren Lesern - nicht bei den Leserinnen - erfreulich ausgeprägt und klammert sich oft an winzigste Anlässe. So griffen die Herren Dr. S., Dr. D. und Dr. H. sofort zu, als geschildert wurde, dass Dschingis Khan und die Seinen "nichts anderes als arme Leute" gegessen hätten. Fast schienen sie es zu bedauern, dass der Text danach noch weiterging: "... als arme Leute: vor allem tierische Produkte". Genauso fix reagierte Herr M. auf die Erwähnung "ungesunder Rentner". Selbst Rentner, vermisste er den Hinweis, dass von deren Verzehr abzuraten sei.

UND WIE KOMMEN die armen Leute auf Dschingis Khans Speisezettel? Durch die Position im Satz, die sie in den Verdacht brachte, Objekt zu sein: Er (Subjekt) isst (Prädikat) sie (Objekt). Eine vergleichbare Irritation lösen Sätze aus, in denen von der klassischen Satzstellung abgewichen wird. Unserem Leser N. widerfuhr dies, als er im Zusammenhang mit Wirecard las: "Die Konzernmutter selbst hingegen habe die Bafin gar nicht kontrollieren dürfen." Hier war das Objekt ebenso an die Stelle des Subjekts gerückt worden wie in dem Satz, den Dr. B. kritisiert: "Auch Söder ist Piazolo in der Krise zu zögerlich." Falsch sind beide Sätze nicht, da im deutschen Satzbau erhebliche Freiheiten obwalten. Als Beispiel einer außergewöhnlichen Konstruktion möge die Losung "Gold gab ich für Eisen" gelten, mit der einst Kriegsspenden eingeworben wurden. Sie sollte jedoch nur dann als Vorbild dienen, wenn die Dramatik der Situation dafür spricht. Der zweite Satz wäre übrigens leicht zu retten gewesen, und zwar mit Hilfe einer alten Dativform nach Art von: "Wieder fehlte es Goethen an Ideen." Das hätte dann so ausgesehen: "Auch Södern ist Piazolo zu zögerlich."

UM AUF WIRECARD zurückzukommen, so löste die Schlagzeile "Riesiger Betrugsverdacht bei Wirecard" in Leser Dr. H. einen ganz anderen Verdacht aus: dass der Verdacht nicht bei Wirecard war, und wenn doch, dass er zügig verdrängt wurde.

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