Sprachlabor:Das Auge des Mondes

Lesezeit: 1 Min.

(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Ferner ein Blick auf die Zeitenfolge bei der Weltbank und auf einen politischen Redaktionskompass.

Von Hermann Unterstöger

IN DER REDAKTION aufräumen: Das fordert Leserin Dr. H. vom Sprachlabor, und zwar hinsichtlich der von ihr als fehlerhaft gerügten Gleichsetzung von morgens und am Morgen. Aufrufe wie diese sind in hohem Maße geeignet, Unsicherheit zu stiften: Haben wir alle zeitlebens, tags und nachts sowie morgens, mittags und abends das Adverb morgens falsch verwendet? Einmal durchatmen, dann wird es wieder hell. Dem Duden zufolge ist morgens ein erstarrter Genitiv von Morgen und bedeutet zur Zeit des Morgens. So verwendet Goethe das Wort, das er oft groß und mit "d" schreibt ("Morgends"), und so geht es weiter bis zu dem Buch- und Filmtitel "Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung", der es zu beachtlichem Erfolg und zu der schönen Variante "Morgens um sieben ist das Geld noch in Dortmund" gebracht hat.

IM BAUGEWERBE kriselt es derart, dass schon Phänomene der dritten Art registriert werden. Leser C. traf auf eines von ihnen in der Behauptung, bei Baustopps blieben "die potenziellen Käufer oft auf ihren ... bereits bezahlten Raten sitzen". Herr C. drückt sein Erstaunen folgendermaßen aus: "Kann man auf etwas sitzen bleiben, das es gar nicht gibt? Die Raten sind ja bezahlt, das Geld ist also futsch."

IM LATEINISCHEN ist die Consecutio temporum (Zeitenfolge) präzisest geregelt und verpflichtend. Das Deutsche gewährt in dem Punkt mehr Freiheiten, doch hat die Großzügigkeit ihre Grenzen. Unser Leser N. sah diese deutlich verletzt in der Formulierung, jemand "hatte, nachdem er das Jurastudium abschloss, eine steile Karriere bei der Weltbank gemacht". Selbst bei der Weltbank dürfte die Zeitenfolge gelten, der zufolge man eine steile Karriere erst macht, wenn man das Studium abgeschlossen hat.

EIN MONDGESICHT, das aus einer Zeitungsseite blickt, hat sein rechtes Auge auf der vom Leser aus linken Seite, aber deshalb wird daraus noch lang nicht dessen linkes Auge. Darauf weist Dr. Sch. hin und verbindet den Hinweis mit der Hoffnung, dass die Redaktion im politischen Bereich rechts und links korrekt zuordnen könne. Kann sie, lieber Herr Sch., kann sie!

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: