Sprachlabor:Halbe Sätze, Adverbien

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Sätze ohne Subjekt sind in Mode, aber keineswegs primitiv. Eine Rechtfertigung für den besonderen Telegrammstil, der früher Zeit und Geld sparte, gibt es heute nicht mehr. Und: Das Wörtchen ,,zunächst" wird meist nurmehr temporal gebraucht.

Von Hermann Unterstöger

ÄRGERLICH sind für Leser G. Sätze wie dieser: "Macron: Werden Notre-Dame in fünf Jahren wieder aufbauen", wobei ihn in dieser Schlagzeile natürlich nicht der Plan zum Wiederaufbau stört, sondern das fehlende Subjekt. Nun gibt es aber Textsorten, in denen die Einsparung bestimmter Satzteile quasi zum guten Ton gehört. Als man noch Telegramme versandte, hatte das ökonomische Gründe: "Komme Freitag 17 Uhr" statt "Ich komme am Freitag um 17 Uhr", und auch die Dichter griffen da und dort zum subjektlosen Satz: "Kann dir die Hand nicht geben" (Ludwig Uhland). In unserem Fall mag banale Platznot zur Auslassung des Subjekts "Wir" geführt haben, doch gilt auch hier, was der Sprachpsychologe Karl Bühler zu dieser Art von Knappheit gesagt hat: "Solch lautarmer Verkehr darf nicht summarisch ... als armseliges, primitives, unvollendetes Sprechen gekennzeichnet werden. Denn das wäre genau so falsch, wie wenn man etwa den bargeldlosen und bargeldarmen Güterverkehr summarisch als den Ausdruck einer primitiven und unvollkommenen Wirtschaftsordnung betrachten wollte."

WIE SCHÖN: "Die 44 Seeleute wurden bis auf einen Leichtverletzten unversehrt gerettet." Dazu Leser G.: "Mich würde nun interessieren, warum der Leichtverletzte nicht gerettet wurde." Auch Missverstehen will gekonnt sein.

IM ÖRTLICHEN SINN (Goethe an Zelter: "der zunächst mich berührende Personenkreis") wird zunächst nur noch selten gebraucht. Umso öfter taucht das Adverb im zeitlichen Sinn auf, meist in Polizeimeldungen, die mit stereotypen Wendungen à la "Der Tathergang war zunächst unklar" enden. Auf den Polizeibericht haben die Leser keinen Einfluss, wohl aber ärgern sie sich über Redaktionen, die diesen übernehmen, also einen Status quo melden, der zum Zeitpunkt der Lektüre nach einer Weiterführung mit "Später ..." förmlich schreit. Die SZ-Redaktion hat das eingesehen und zunächst Besserung gelobt.

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