DIE "GARTENLAUBEN"-LITERATUR hat uns eine Sorte von Sätzen hinterlassen, die wir der Einfachheit halber "Herein-trat-ein-Mann"-Sätze nennen wollen. Zur Illustration hier ein Herein-trat-ein-Mann-Satz aus dem Erzähler No. 62 vom 1. August 1840: "Herein trat ein Mann von vornehmem und Ehrfurcht gebietendem Äußerm. Er mochte zwischen vierzig und fünfzig Jahren seyn, und trug eine Art Jagdanzug. Seinem Gange und Aussehen nach schien er kränklich und schwach." Wäre dieser Mann - nennen wir ihn Hugo Boltz - einem jungen Reporter von heute begegnet, hätte er sich im Feature möglicherweise so wiedergefunden: "Hugo Boltz, 46, Jagdanzug, taffer Typ, irgendwie nicht gut drauf."
Die telegrammartige Schilderung von Personen ist nicht neu und entfaltet, wo es um Präzision, Sachlichkeit und Tempo, um die Vorspiegelung erzählerischer Atemlosigkeit geht, ihre ganz eigene Atmosphäre. Inzwischen hat sich der stilistische Kniff in den Zeitungen, allen voran in der Süddeutschen, zu einer Marotte entwickelt, die drauf und dran ist, der noch grassierenden Doppelpunktitis - "zitiert werden will: keiner" - den Rang abzulaufen. In einer einzigen Reportage fanden sich unlängst nah beieinander vier Belege. Beleg eins: "Alexa Waschkau, 41, Ethnologin, rote Haare, schwarzes Kleid." Beleg zwei: "Alexander Waschkau, gestreiftes Hemd, Brille, auch 41 Jahre alt, Psychologe." Beleg drei: "Bartoschek, 37, kantige Brille, Vollbart, Cord-Jackett." Beleg vier: "50-jähriger, großer, dünner Mann, gelbe Ray-Ban-Brille, rötlich schimmerndes Haar, Wissenschaftsautor." Ein Foto zeigt die Genannten, und man möchte wetten, dass Bartoscheks kantige Brille ebenfalls eine Ray Ban ist; dass die gelbe Ray-Ban-Brille ihrerseits kantig ist, sieht man mit blankem Auge.
ZUM JAHRESENDE sei allen Zuträgern, Lesern, Freunden und Kritikern herzlich gedankt. Apropos Jahresende: Herein tritt Silvester, Papst, undefinierbares Alter, Vollbart, elegante Mitra, frühe Ray-Ban-Brille.
