Sprachlabor:Episches und Pfundiges

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Warum Lebkuchen nicht für Fontänen taugen und wie einen die Grammatik zum Heulen bringt.

Von Hermann Unterstöger

DASS BEI "EPISCH" nicht mehr flächendeckend an das Nibelungenlied oder die Ilias gedacht wird, zeigt sich zum Beispiel darin, dass im Münchner Merkur einmal ein mit der Hacke erzieltes 1:0 als "episch" eingestuft wurde, obwohl es sicher nicht länger als eine dramatische Sekunde gedauert haben kann. Zu den Wahlchancen der Heidelberger OB-Kandidatin hieß es bei uns, Theresia Bauer bräuchte, um Eckart Würzner auszustechen, "eine epische Aufholjagd". Sie unterlag dann klar, was Leser Sch. darüber nachdenken ließ, ob es für sie mit einer lyrischen oder dramatischen Aufholjagd nicht besser gelaufen wäre.

DAS WORT zum nun schon mittelreifen Advent kommt vom Feuilleton, dem zufolge sich in den Supermärkten "die Lebkuchenkaskaden türmen". So angetan Leser B. von der fontänengleich aufsprühenden Metapher war, die Sprache hat sie ihm nicht verschlagen, und so lässt er wissen, dass man von unten nach oben türmt, Kaskaden aber von oben nach unten stürzen; außerdem seien Lebkuchen fest, also für Kaskaden ungeeignet.

DASS MARBACH den Rilke-Nachlass an Land gezogen hat, wurde ausführlich, ja episch beschrieben. Dabei wurde es dem Marbacher Archiv zur Pflicht gemacht, "das Pfund jetzt wuchern zu lassen". Unser Leser Dr. S. hält es für möglich, dass der Autor "seine Bibelkenntnisse nach Matthäus 25 vergraben hat". Dort steht geschrieben, dass nicht das Pfund zu wuchern habe, sondern der, dem es anvertraut ist, in unserem Fall also das Deutsche Literaturarchiv Marbach. Sollte es das versäumen, würde es nach Mt 25,30 in die äußerste Finsternis geworfen, wo Heulen und Zähneknirschen herrschen.

ZWEIMAL hatten wir den Fall, dass Gesinde und Gesindel verwechselt worden waren. Nun war Leser K. darüber verwundert, dass der Richter Jens Maier (AfD) Muslime als "Gesinde" diskriminiert habe, obwohl er doch nach allem, was über ihn bekannt ist, "Gesindel" habe sagen wollen. K. ist kein Freund der AfD, aber einer der sprachlichen Zufälle. Das bewegt ihn dazu, hier der "Absurdität Vorrang vor der Verwerflichkeit" zuzubilligen.

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