Sprachlabor:Die Kunst des Koppelns

Wenn Schreiber den Mut zum Durchkoppeln von Wörtern, die zusammengehören, vermissen lassen, ärgert sich der Leser.

Von Hermann Unterstöger

DIE ANGST DER SCHREIBENDEN beim Schreiben hat viele Quellen. Eine davon ist die Durchkopplungsunsicherheit, die, wiewohl durch nichts gerechtfertigt, weite Verbreitung gefunden hat. Die Regel könnte eingängiger nicht sein: Wird ein Grundwort um mehrere Bestimmungswörter erweitert, so werden alle Wörter durch Bindestriche verbunden: der Erste-Hilfe-Kurs, die Fröhliche-Türken-Straße oder die "Der-Berti-ist-die-dumme-Sau-die-man-von-links-nach-rechts-durchs-Dorf-jagt-Platte", die der Kölner Stadt-Anzeiger einmal auflegte. Leser E. vermutet, dass Wörter mit mehr als einem Bindestrich bei uns verboten seien. Er macht dies an der "Doppelt markiertes Wasser"-Methode fest, die als Äquivalent für die double labeled water method angeboten wurde und leicht durch die Doppelt-markiertes-Wasser-Methode zu ersetzen gewesen wäre. Erstaunlicherweise fehlt allerorten der Mut zum Durchkoppeln, was gerade in der Corona-Zeit bei Lesern auf Unmut stieß. Sie fassten das Gebilde Robert Koch-Institut als einen Namen von der Sorte Heinz Müller-Lüdenscheid auf und tadelten uns dafür, dass wir nicht Robert-Koch-Institut schrieben.

"IRRGENTWAN", schreibt Leserin Sch., könne man "Täxte nichd mähr lesn", weil sich in ihnen die Verbform "bärge" findet. Das sei "kein Ausrutscher mehr", da habe "jemand keine Ahnung von Rechtschreibung". Ist das so? Es ist, zur Rechtfertigung des inkriminierten Kollegen sei es gesagt, nicht so: Der Mann hat nicht nur die Rechtschreibung drauf, sondern auch die Konjugation der "ablautenden" Verben, die sich dadurch von anderen unterscheiden, dass sich der Stammvokal in bestimmten Verbformen ändert: spinne, spann, gesponnen. Bei bergen treffen wir auf die Formen barg und geborgen, und vom Präteritum barg wiederum lässt sich der Konjunktiv bärge bilden, der im Irrealis eine ausgesprochen gute Figur macht: "Ja doch, was aller Mund erfüllt, / Das bärg' ich meinem Herrn?" (Schiller, Der Gang nach dem Eisenhammer)

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