Sprachlabor:Manuel Neuers Brotsamen

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Ferner das ewig Streitige an „nichtsdestotrotz“.

Von Hermann Unterstöger

DIE FRAGE unseres Lesers S., warum das Wort nichtsdestotrotz immer wieder verwendet wird, ist ähnlich schwer zu beantworten wie die, warum immer wieder falsch geparkt wird. Freilich handelt es sich beim Falschparken meist um einen bewussten Verstoß, wohingegen nichtsdestotrotz von vielen längst als ordentliche Konjunktion eingeschätzt und verwendet wird. Die Literatur zu diesem aus nichtsdestoweniger und trotzdem zusammengeschachtelten Wort ist üppig, ihr Nutzen gering. Nichtsdestotrotz hat es sich in den Wörterbüchern längst als „umgangssprachlich“ und „scherzhaft“ bequem gemacht, bequemer jedenfalls als das vergleichbar scherzhafte Kofferwort selbstverfreilich.

EBENFALLS SCHERZHAFT fassten unsere Leserinnen Th. und H. auf, was sie von den Ersatztorhütern beim FC Bayern hören mussten: dass diese von den „Brotsamen“ lebten, die Manuel Neuer vom Tisch wischte. Nun liegt ja die Vermutung nahe, dass Brosamen so etwas wie Brotbrösel sind, aus denen Neuer das „t“ herausgehechtet hat, und in der Tat dürften die meisten Brosamen aus Brot bestehen. Trotz und alledem – um sprachlich nahe bei nichtsdestotrotz zu bleiben – hängt das Wort nicht mit Brot zusammen, sondern mit ahd. brōsma, also mit Zerbröckeltem oder Zerriebenem. Bei einem wie Manuel Neuer könnten die Brosamen auch aus Kuchen gewesen sein, was die Sache für die Ersatztorhüter freilich nicht leichter machte.

IM FALL WINTERKORN sah unser Autor „einen langen, streitigen Prozess“ herannahen, was die (schon in die Brotsamensache verwickelte) Leserin Th. zu der Anmerkung veranlasste, dass alle Prozesse beziehungsweise deren Anlässe streitig seien. Streitig nannte man einst Personen, die dem Streit mit Lust oblagen; in diesem Sinn dürfte bei Shakespeare/Schlegel „die immer streit’ge, wandelbare Menge“ (Heinrich IV., Teil 2, Prolog) aufzufassen sein. Heutzutage hat sich das Feld der Bedeutungen verengt. Die Juristen verwenden streitig für Einzelfragen, die noch zu klären sind. Wir anderen begnügen uns mit der Floskel jemandem etwas streitig machen, beispielsweise den Gebrauch seltsamer Wörter.

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