Sprachlabor:"Büchermäßig bin ich nicht so lesetechnisch unterwegs"

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Wenn die Wortbildung aus dem Ruder läuft. Ein Exkurs über das Technischmäßige.

Von Hermann Unterstöger

VOR ZWEI WOCHEN überraschte uns das Feuilleton mit zwei Aussagen: Erstens, dass intelligente Witze beim unterhaltungstechnisch ausgemergelten Publikum gut ankämen, und zweitens, dass der 12. März oscartechnisch der erfolgreichste Tag der deutschen Filmgeschichte gewesen sei. Die Wörter unterhaltungstechnisch und oscartechnisch standen auf einer Seite so nah beieinander, als hätten die Autorinnen sich ausdruckstechnisch abgesprochen, und das womöglich mit einem Augenzwinkern.

Komposita mit -technisch sind wortbildungstechnisch an die mit -mäßig angelehnt. Mit diesen wird eine allgemeine Beziehung angegeben, ein "in der Art von": heldenmäßig bedeutet in der Art von Helden. So klar ist die Sache nicht immer. Thomas Mann verwendet das Wort labanmäßig, und wer da nichts von Laban weiß, dem "Erdenkloß", der steht auf dem Schlauch. Ihre Apotheose fand dieses Wortbildungsmuster in jesusmäßig, einem Adjektiv, das mit Jesus meist nichts mehr zu tun hat, etwa wenn jemand "jesusmäßig drauf ist".

Wortbildungen mit -technisch sollten vernünftigerweise auf Fälle beschränkt sein, in denen auf eine Technik, ein Verfahren, ein Regelwerk Bezug genommen wird: eine satztechnisch saubere Komposition. Wie es aussieht, hat ein Teil der Sprachgemeinschaft, und die Journalisten vorneweg, an diesem Muster dermaßen Gefallen gefunden, dass die Chose ein bisschen außer Kontrolle geraten ist: Der Jahreswechsel war kusstechnisch erwähnenswert; nudeltechnisch gehören zu dieser Sauce unbedingt Farfalle; "Büchermäßig bin ich nicht so lesetechnisch unterwegs" (Cora Schumacher). Unsere zwei Fälle gehören zu dieser Sorte, weil weder bei unterhaltungs- noch bei oscartechnisch eine vernünftige Verbindung zu einer Technik oder einem Regelwerk herzustellen ist.

Statt eines Ostergrußes geht an die Freunde dieser Kolumne eine Notiz über den pfälzischen Hofmeister Blicker XIV., der in der Kirche von Neckarsteinach begraben liegt. Die Journalistin Diana Deutsch schreibt in ihrem Blog, er habe seine letzte Ruhestätte direkt hinter dem Altar gefunden - "Auferstehungstechnisch die beste Lage".

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