Sprachlabor:Beistriche

Sprachlabor: undefined

Über Leid und Missverständnisse, die entstehen, wenn Kommata falsch gesetzt sind.

Von Hermann Unterstöger

DIE LIBERALISIERUNG bei der Kommasetzung, eine leicht verderbliche Frucht der Rechtschreibreform, brachte zwar "etwas von dem alten rhetorisch-intonatorischen Prinzip" (Peter von Polenz, Deutsche Sprachgeschichte) zurück, hat aber auch die Zügel so gelockert, dass manchen Schreibern die Pferde durchgehen. Es melden sich immer wieder Leserinnen und Leser, die über fehlende, überflüssige oder peinigend falsch gesetzte Kommata klagen, und sie nehmen die Sache so ernst, wie sie, auch im Hinblick auf eine der treffendsten Kommaanekdoten, genommen werden sollte. In dieser Geschichte begnadigt der König einen zum Tod Verurteilten in letzter Minute. Er will dem Henker "Warte, nicht hängen!" schreiben, setzt aber das Komma falsch. Dieser liest: "Warte nicht, hängen!" und waltet seines Amtes.

Bei den kritisierten Sätzen aus der SZ geht es nicht um Kopf und Kragen, wohl aber ums zügige Verstehen. Unsere Leserin L. sah sich darin bei folgendem Satz beeinträchtigt: "Der populäre Senator Al Franken musste im Herbst nach Berichten über seine sexuellen Übergriffe erkennen, dass seine Partei so etwas 2017 nicht mehr duldet und sein Amt aufgeben." Da hinter duldet das Komma fehlte, wurde sie dazu verleitet, den dass-Satz für sich zunächst so weiterzudenken: "... und sein Amt nachhaltig beschädigt ist." Zur Verhinderung solcher Irrwege stehe das "paarige Komma" bereit: "Eins vorn, eins hinten. Nicht so schwer."

Damit zum großen Finale. Jens Malte Fischer berichtet in seiner Karl-Kraus-Biografie, wie Ernst Krenek zu der Zeit, als die Beschießung von Shanghai durch die Japaner alle Welt erregte, Kraus über einem seiner berühmten Kommaprobleme antraf. Seine Frage, ob es jetzt nichts Wichtigeres gebe, beantwortete Kraus so: "Ich weiß, dass das alles sinnlos ist, wenn das Haus in Brand steht. Aber solange das irgend möglich ist, muss ich das machen, denn hätten die Leute, die dazu verpflichtet sind, immer darauf geachtet, dass die Beistriche am richtigen Platz stehen, so würde Shanghai nicht brennen."

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