Sprachlabor:Was für ein Land?

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Ferner: Was Junge und Alte anders sehen.

Von Hermann Unterstöger

EINE BLINDVERKOSTUNG ist unlängst wohl völlig außer Kontrolle geraten. Unser Fazit der Veranstaltung: "Verköstigt wurden die Produkte blind." Leser R. hat sich sein wohl universell mitfühlendes Herz bewahrt: "Es bleibt zu hoffen, dass die Produkte alle satt geworden sind."

FOLGENDER UNTERTITEL gereichte Leser N. zum Ärgernis: "An einer Rezession kommt Europa zwar vorbei - aber um mehr als ein Prozent wächst die Wirtschaft nicht. Vor allem ein Land ist weit hinten." Es war der zweite Satz, der ihm missfiel. Kurzusammenfassungen sollten, so habe er das gelernt, "den relevanten Informationskern enthalten". Dass "ein Land hinten" ist, sei indessen eher eine taube Nuss; man hätte das Land doch nennen können. So weit, so akzeptabel. Was Herr N. aber außer Acht lässt, ist der Umstand, dass wir es hier nicht mit einer Inhaltsangabe zu tun haben, sondern mit dem im Journalismus mittlerweile sehr geläufigen Werkzeug Teaser, einem dem Artikel vorgelagerten Text, "der Interesse wecken und auf eine ausführliche Darstellung neugierig machen soll" (journalistikon.de). Wäre das Land - es war Deutschland - schon im Vorspann verraten worden, hätten etliche Leser vielleicht "Schon wieder sind wir hinten!" gesagt und den Artikel überblättert. So aber wurden sie zum Lesen verlockt, und wenn sie danach "Schon wieder sind wir hinten!" sagten, dann immerhin mit solidem Sachwissen.

WOCHE FÜR WOCHE beginnt die Kolumne "Die Altersweisen" mit dem Satz: "Junge und alte Menschen haben oft eine andere Sicht auf das Leben." Unser Leser K. versteht das notgedrungen so, "dass es eine Ansicht A gibt und dass die Jungen und die Alten gemeinsam eine andere Ansicht als die Ansicht A vertreten, nämlich die Ansicht B." Das wäre freilich das Gegenteil dessen, was die Kolumne will, und darum sei ihr diese von Herrn K. inspirierte Version an die Hand gegeben: "Junge und alte Menschen haben oft eine unterschiedliche Sicht auf das Leben." Wäre Heidegger noch unter uns, hätte er die Sache möglicherweise mit der schönen und griffigen Formulierung "eine je andere Sicht auf das Leben" bereinigt.

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