SPD:Lauter, bitte

Woher kommt die schwere Niederlage der SPD bei den bayerischen Landtagswahlen? Leser bieten dazu verschiedene Erklärungsmodelle. Einer meint, die SPD in Bayern sei seit Langem ein lahmer Gaul.

Natascha Kohnen und Andrea Nahles für die Forumseite vom 19.10.2018

Schwere Niederlage: Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles (links) und Bayerns SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen.

(Foto: Robert Schlesinger/Getty Images)

"Fünfter sein" vom 16. Oktober und "Debakel für CSU und SPD" vom 15. Oktober:

Man könnte jetzt eine große, kritische Analyse machen, was die SPD und jetzige Führungsriege der Partei alles falsch gemacht hat. Aber das würde nicht den Kern des Niedergangs treffen. Formal haben Natascha Kohnen und Co. nicht viel falsch gemacht. Sie haben nur einen Fehler: Sie kommen beim Wahlvolk nicht an (sogar nicht bei den äußerst geduldigen, verbliebenen Stammwählern). Warum nicht: ganz einfach: Sie können nicht überzeugen! Die SPD bräuchte einen "Roten Franz Josef Strauß" oder einen "Roten Joschka Fischer" oder einen "Bayerischen Gysi". Einen, der "laut" ist. Natascha Kohnen oder Markus Rinderspacher und Co. sprechen laut ins Mikrofon, aber sie sind nicht "laut". Laut sein heißt, dem Volk "aufs Maul schauen", einen "Blaumann" anziehen, mit Gummistiefeln in die Kuhställe gehen oder auch die Gewerkschaften vor sich hertreiben (auch Gewerkschaften sind nicht mehr "laut"). Laut sein heißt, auch mit Krawatte oder schwarzem Outfit die großen Wirtschaftslenker anzugreifen und aufzuzeigen, wo deren große Mängel liegen. Laut sein heißt, auch die bayerische Sprache zu beherrschen, laut sein heißt, auch mal "grob" sein, laut sein heißt, "auch über sich selbst lachen zu können". Laut sein heißt, den politischen Gegner ständig vor sich herzutreiben (nicht nur zu Wahlzeiten). Es wäre doch super, wenn das bayerische Volk mal wieder zur SPD sagen könnte: "Aber Hund san's scho." Man muss die SPD wieder einmal "hören".

Willi Hörmann, Germering

Lahmer Gaul, seit Langem

Die SPD in Bayern ist seit Jahrzehnten ein lahmer Gaul, der nun endgültig zusammengebrochen ist. Mit der Bundespolitik hat das nichts zu tun.

Dr. Thomas Lukowski, München

Mittelweg zum Tod

"Wer nicht haargenau wie die CDU denkt, fliegt aus der SPD raus", meinte in den 60er-Jahren der Kabarettist Wolfgang Neuss ("Der Mann mit der Pauke"), als er in West-Berlin gegen den Vietnamkrieg protestierte und aus der SPD ausgeschlossen wurde. Bald danach saß Willy Brandt (SPD) gemeinsam mit Kurt Georg Kiesinger (CDU) am Kabinettstisch in der ersten Großen Koalition der Bundesrepublik. Langfristig führte das tatsächlich, wie vom Strippenzieher Herbert Wehner immer gewollt, zur dauerhaften Beteiligung der SPD an der Macht, aber auch mit der Folge des Mottos der Außerparlamentarischen Opposition (APO), "In der allergrößten Not führt der Mittelweg zum Tod", was ihr bis in diese Tage schwer zu schaffen macht. Aber nicht nur ihr.

Der Fairness halber muss gesagt werden, dass die SPD durchaus über die Jahre sachliche Erfolge in der Regierungsarbeit durchsetzen konnte, die ihr aber in der breiten Bevölkerung nicht mehr angerechnet werden, weil der Wähler die langfristige Bindung an eine "Volkspartei" verliert. Das werden auch Union und CSU zu spüren bekommen, die ersten "Einschläge" sind ja schon längst da. Die Bundesrepublik wird sich auf ein Parlament mit zahlreichen Zehn-bis-20-Prozent-Parteien einstellen müssen. Das wird jede Regierungsbildung und das Regieren schwieriger machen, aber vielleicht auch beweglicher und nicht mehr so festgemauert wie in den bisherigen Blöcken mit einflussreichen Parteifunktionären. Das nennt man auch lebendige Demokratie nach Karl Valentins abgewandeltem Motto "Politik ist schön, macht aber auch viel Arbeit!"

Wilfried Mommert, Berlin

Das Ende ist bekannt

Mich würde interessieren, was eigentlich das Wort "bürgerlich" im Zusammenhang mit Wählergruppen zu bedeuten hat?! Ich verstehe mich als Bürgerin dieses Landes seit meiner Geburt, lebe ein normales bürgerliches Leben, ebenso wie meine Verwandten und Vorfahren. Als Wählerin bin ich jedoch, wenn ich es richtig verstehe, nach dieser merkwürdigen Lesart nicht "bürgerlich", wenn ich beispielsweise SPD oder Grüne wähle, zwei Parteien, die ohne jeden Zweifel auf der Grundlage unserer Rechtsordnung agieren. Ich finde, diese Ausdrucksweise sollte sofort und gründlich hinterfragt werden! Sie erinnert mich fatal an Zeiten (von denen mir die Altvorderen berichteten), als nach dem Ersten Weltkrieg Sozialdemokraten vom sogenannten bürgerlichen Lager als "vaterlandslose Gesellen" verunglimpft wurden. Das war der Anfang, das Ende ist bekannt.

Anneliese Lindinger-Friedl, Deggendorf

Richtung fünf Prozent

Einen beachtlichen Teil des Verlusts von mehr als 50 Prozent Stimmenanteil dürfen sich Kevin Kühnert und Andrea Nahles schon persönlich zurechnen. Die selbst angezettelte Maaßen-Affäre hat ihnen zu Recht mehr geschadet als allen anderen. Dabei hatte es Andrea Nahles ja zunächst selbst gar nicht bemerkt, dass man aus der unglücklichen Wortwahl des Verfassungsschutzchefs einen Skandal anzetteln könnte, nur um dem politischen Gegner zu schaden. Aber schnell und bereitwillig hat sie den Hinweis und die von Kühnert hingereichte Tröte genommen und engagiert hineingeblasen. Nicht ganz ohne Erfolg. Aber letztlich hat der Wähler doch bemerkt, dass man damit von der eigenen Hilflosigkeit ablenken wollte: keine Ideen, keine Lösungen, kein Programm! Und er hat die einstige Volkspartei für ihr versuchtes Täuschungsmanöver am Sonntag abgestraft. Die Zehn-Prozent-Hürde haben Kühnert/Nahles nun für die SPD durchbrochen - bleibt als nächstes Ziel die Fünf-Prozent-Hürde?

Berthold Metzger, Hamburg

Hinweis

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen.

Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch hier in der Digitalen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung und bei Süddeutsche.de zu veröffentlichen.

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