SPD:Es gibt wichtigere Fragen

Andrea Nahles und Olaf Scholz

SPD-Chefin Andrea Nahles und Bundesfinanzminister Olaf Scholz.

(Foto: Axel Heimken/dpa)

"Die SPD streitet über Kanzlerkandidatur" und "Kandidat und Hilfskraft" vom 8. Januar sowie "Selbst ist der Mann" vom 2. Januar:

Schwarze Null

Die SPD streitet also um die Kanzlerkandidatur. Als gäbe es nicht genügend Fragen, über die es sich lohnte zu streiten. Ob es eine gute Idee war, jahrzehntelang den Strukturwandel im Ruhrgebiet zu blockieren und das Schicksal von Gemeinden und Land an fossile Energie(-unternehmen) zu binden? Und ob die Fortsetzung dieser Blockadehaltung bei der Energiewende und dem Festhalten an der Kohle wirklich zukunftsträchtig ist?

Ob es eine rote Umweltpolitik gibt oder nur verlogene Worthülsen? Ob es mit der Ostpolitik Willy Brandts vereinbar ist, einen Angriffskrieger und Diktator zu hofieren? Ob die SPD eine europäische Partei ist oder doch nationalistisch, wenn es um Dinge wie Nord Stream 2 geht?

Ob es Sozialpolitik ist, zuerst das Rentenalter aus Notwendigkeit zu erhöhen und aus populistischer Panik später sich davon zu distanzieren? Ob es gut ist, dass Olaf Scholz für die schwarze Null steht? Ob Juso-Chef Kühnert noch andere Qualitäten hat, als bemüht ernst und entschlossen in die Kamera zu schauen? Ob 20,5 Prozent bei der letzten Bundestagswahl vielleicht doch zehn zu viel waren?

Alexander Preuße, Göttingen

Eher unwahrscheinlich

Die SPD gibt sich wieder einmal ihrer Lieblingsbeschäftigung hin: vollkommen unnötige Personaldiskussionen. Dabei ist es für jeden klar, dass Olaf Scholz beim derzeitigen Stand der SPD so wenig zu Kanzlerwürden kommt, wie es wahrscheinlich ist, dass er Mutter wird. Dr. Peter Burde, Neubiberg

Klare Antwort

Wegen einer einzigen Interviewfrage macht Ihre Zeitung gleich ein Riesenfass auf, mit einem Bericht auf Seite 1 und einem Kommentar auf Seite 4. Olaf Scholz wurde gefragt, ob er sich das Kanzleramt zutraut, und er antwortete mit Ja. Was hätte er denn sonst tun sollen? Er hatte drei Möglichkeiten: Ja, Nein oder eine der üblichen verschwurbelten, nichtssagenden Politikerantworten. Er wählte die klare Aussage Ja, wie man es von ihm gewohnt ist, und er hat sich damit weder um die Kanzlerkandidatur beworben noch seine Parteichefin desavouiert, sondern nur eine klare Antwort auf eine klare Frage gegeben.

Peter Fendt, Marktoberdorf

Gefährliche Fehlbesetzung

Der Artikel "Selbst ist der Mann" von Cerstin Gammelin gibt sehr gut den Eindruck wieder, den unser sparsamer Finanzminister Olaf Scholz der Öffentlichkeit nach fast einem Jahr bietet. "Scholz kommt mit dem Rad - und keiner nimmt es wahr" oder: "Nun zieht er dröge Sätze vor. Der Preis, den er dafür zahlt: weniger Aufmerksamkeit." Besser kann man es fast nicht auf den Punkt bringen.

Ein sparsamer Politiker, obwohl gerade jetzt, vor allem für den hilfsbedürftigen Euro, verstärkt wahrnehmbares europapolitisches Engagement gefordert ist, natürlich auch für die sehr berechtigten Forderungen des französischen Präsidenten. Hier wäre offensichtlich in erster Linie eine gerechtere europäische Steuerpolitik zu erwarten, angeblich auch ein zentrales Anliegen der SPD.

Aufgrund seiner Haltung, "mit stoischer Ruhe die ständigen Aufgeregtheiten zu neutralisieren", erscheint Scholz mir, selbst beruflich gut vertraut mit der EU-Freizügigkeit, vor allem für Europa eine gefährliche Fehlbesetzung, zumal als zweite große Enttäuschung nach dem traurigen Versagen des "Europapolitikers" Martin Schulz. Selbst Ralf Stegner ist da ansprechender, obwohl dessen Mundwinkel meistens nach unten zeigen; zumindest äußert der sich präzise, wenn es erforderlich ist.

Dr. Frank Bolkenius, Friesenheim

Helden und Bundeskanzler

Während des vorhersehbaren Desasters beim G-20-Gipfel, den der damalige Erste Bürgermeister Hamburgs, Olaf Scholz, im Jahr 2017 zum Zweck der Selbstprofilierung in die Stadt geholt hat, gab es in einem zugespitzten Augenblick einen verräterischen Bruch in der Kulisse der Selbstinszenierung, die Cerstin Gammelin so treffend beschreibt. Scholz lobte die Polizisten im umkämpften Schanzenviertel als wörtlich "Helden". Ein Politiker, der prügelnde Polizisten (mögen sie auch objektiv rechtmäßig gehandelt haben) als "Helden" bezeichnet, darf niemals Bundeskanzler werden. Er bietet nicht die Gewähr dafür, im Verteidigungsfall, in dem die Kommandogewalt auf den Bundeskanzler übergeht (Art. 115b Grundgesetz), sine ira et studio zu handeln. Dazu gehört eine in Skepsis gefestigte und im Moment der Gefahr gesicherte Haltung zum Repressionsapparat des Staates. Muss man zum 100. Geburtstag des Winters 1918/19 einen Sozialdemokraten daran erinnern?

Heinz Uthmann, Hamburg

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