Süddeutsche Zeitung

Solidaritätszuschlag:Die Suche nach einer Alternative

Beibehalten oder abschaffen? Die Debatte um den Soli, mit dem anfangs vor allem der Aufbau Ost und später auch Projekte im Westen finanziert wurden, ist fast so alt wie die Abgabe selbst. Die Lesermeinungen dazu gehen weit auseinander.

Zu "Der ewige Soli" vom 13. August, "Schluss damit. Schluss damit?" und "26 Jahre später", beide vom 12. August:

Das Geld sinnvoll nutzen

Die Forderung nach gänzlicher oder teilweiser Abschaffung des Solidaritätszuschlags, der ja nur zeitlich begrenzt vorgesehen war, ist verständlich und berechtigt. Aber ist es auch vernünftig angesichts der Probleme, die auf uns zukommen? Ich nenne nur Pflegenotstand, Kita- und Wohnungsmangel, Erhöhung des Wehretats, Grundrente wegen wachsender Altersarmut und zum Teil verlotterte Infrastruktur. Dies alles erfordert enorme Investitionen. Wäre da nicht ein Umdenken angebracht und zu rechtfertigen, den Soli beizubehalten und für neue Zwecke umzuwidmen, statt anschließend andere Steuern zur Lösung oben genannter Probleme zu erhöhen? Ich würde es begrüßen, wenn die Soli-Mittel in die Bereiche Pflege, Kita und in die Modernisierung unserer Schulen gesteckt würden. Das wäre eine solidarische Verwendung zum Wohle aller. Der Soli hat immerhin den Vorteil, dass er alle Bevölkerungskreise trifft, und zwar nach individueller Leistungsfähigkeit und nicht pauschal.

Doris Hoppe, Egling

Einkommensteuer anheben

Natürlich muss man mit dem Soli auf einmal Schluss machen und nicht in Raten beziehungsweise ohne die Bestverdiener miteinzubeziehen. Der verständliche Versuch, auf diesem Weg mehr Gerechtigkeit bei der Einkommensteuer zu schaffen, ist riskant. Es könnte dem SPD-Finanzminister Olaf Scholz vor dem Bundesverfassungsgericht so ergehen wie dem CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer mit seiner Ausländermaut vor dem Europäischen Gerichtshof. Man muss diese beiden Ziele voneinander trennen. In naher Zukunft muss Schluss mit dem Soli sein. Allerdings muss unabhängig davon die Einkommensteuer für die hohen Einkommen angehoben werden.

Alfred Meier, Hohenpeißenberg

Es fehlt vielen die Perspektive

Bei der Diskussion um die Abschaffung des Solizuschlags fehlt mir ein zentraler Aspekt des Themas: Sind die Ziele, die mit der Einführung des Soli erreicht werden sollten, tatsächlich erreicht worden? Wenn nicht, was soll dann an die Stelle des Soli treten? Seit ich bei einer Reise in diesem Jahr Sachsen-Anhalt und Brandenburg besser kennengelernt habe, ist mir klar geworden: In vielen entlegeneren Landstrichen werden wir als Gesellschaft die Bewohner, die überhaupt noch dort bleiben, verlieren, da ihnen schlicht die Perspektive fehlt. Was nötig wäre: Investieren in Arbeitsplätze (finanzielle Erleichterungen für Neuansiedlungen) und auch weiterhin in Infrastruktur (obwohl hier sichtbar schon eine ganze Menge gemacht wurde).

Die fehlende Perspektive ist für mich auch die Hauptursache für die Abkehr vom Politikbetrieb und den massiven Zulauf für die AfD.

Wolfgang Thoss, Hamburg

Massenklage wäre angebracht

Ausgerechnet der Bundesfinanzminister einer untergehenden Partei, der gerade auf diesem Sektor in seiner hanseatischen Vergangenheit alles andere als glänzte, maßt sich an, hier den Gerechten zu spielen. Was ist an dem Soli je gerecht gewesen? Zehn Prozent der Besserverdienenden stemmen den Großteil der Einnahmen, und weil sie keine Steuergeschenke bekommen sollen, fallen genau diese Bürger wiederum durchs Netz bei der Soli-Abschaffung. Aus wahltaktischen Gründen will die Partei damit 90 Prozent der Menschen einlullen. Und die eigentlichen Leistungsträger werden weiterhin verfassungswidrig gemolken? Ich bin sofort dabei, wenn es zu einer Massenklage der Betroffenen führt.

Heidi Sassenroth-Höfler, Brühl

Kritik an der CDU und CSU

Kommentator Esslinger fordert die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags und kritisiert Finanzminister Scholz, weil dieser bei den höchsten zehn Prozent der Einkommensbezieher weiter den Soli erheben möchte. Das ist aus meiner Sicht nicht zu kritisieren, sondern zu loben. In einem anderen Artikel zum Thema geht es um eine Untersuchung zur Einkommensverteilung im Land. Aus dieser, aber auch aus vielen anderen Studien wird deutlich, wie ungerecht die Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland ist.

Von einer vollständigen Abschaffung des Soli würden gerade die Einkommensstärksten am meisten profitieren. Das halte ich für nicht vertretbar. Auch der Kommentator sieht darin wohl ein Problem. Er schlägt deshalb vor, dies über die reguläre Einkommensteuer oder auch Vermögen- oder Erbschaftsteuer zu lösen. Aber diesen Weg zu gehen, blockierten ja gerade CDU und CSU. Die Kritik hätte also nicht Olaf Scholz, sondern die Union abbekommen müssen.

Norbert Schmitt, Heppenheim

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Quelle:
SZ vom 03.09.2019
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