Um möglichst schnell unabhängig vom russischen Öl und Gas zu werden, müsste die Energiewende nun schnell vorangetrieben werden. Brechen also goldene Zeiten für Windmühlen- und Solaranlagenbauer an?
Reinhold Weiser ist noch skeptisch, ob der Hype anhält. Der Mittsechziger, der seit 2008 mit seiner in der uckermärkischen Kleinstadt Angermünde (Brandenburg) ansässigen Firma Akotec in der Solarbranche aktiv ist, hat miterlebt, wie vor zehn Jahren in Deutschland und gerade auch in Ostdeutschland die Hersteller von Solarzellen und Modulen reihenweise pleitegingen. "Heute kommen Solarmodule überwiegend aus China", sagt Weiser. Und es sei längst nicht ausgemacht, dass sich daran bald etwas ändere.
Gerade hat der norddeutsche Hersteller Nordex, einer der wenigen hierzulande verbliebenen Windmühlenbauer, mit massiven Kosten- und Lieferproblemen zu kämpfen. Ende Juni musste die Rotorblatt-Fertigung mit ungefähr 500 Beschäftigten in Rostock geschlossen werden.
Auch Brandenburg und die Uckermark hat die Solarkrise hart getroffen. So hat in Frankfurt (Oder), der einst selbsternannten Sonnenstadt, der Solarkonzern Conergy seine Werke bald wieder geschlossen. Alle anderen Frankfurter Firmen der Branche machten ebenfalls dicht.
Da ist Weisers Akotec mit seinen 30 Beschäftigten in Sachen Solar bald zum Leuchtturmunternehmen in der Region aufgestiegen. "Unser Umsatz ist seit Firmengründung auf viereinhalb Millionen Euro im vergangenen Jahr geklettert", sagt der Chef von Akotec. "Und ich bin mir sicher, dass wir in diesem Jahr auf mehr als fünf Millionen Euro kommen."
Der Unterschied zu den vielen in Bedrängnis oder gar ins Aus geratenen Solarfabriken mache sich zunächst einmal am Produkt und seiner Funktion fest, sagt der Diplomingenieur nüchtern und zeigt auf die bläulich gefärbte Glasröhre auf seinem Tisch. "Wir fangen damit auch die Sonnenstrahlen ein, nur machen wir daraus keinen Strom, sondern Wärme."
Die Kollektoren sind auch bei Tiefsttemperaturen und diffusem Licht einsetzbar
Was folgt, ist ein Exkurs in eine Technologie, für die Akotec 2019 mit dem Brandenburger Zukunftspreis ausgezeichnet wurde. Das Prinzip der Wärmegewinnung dahinter ist einfach: Wasser fließt in einer Röhre durch ein dünnes Kupferrohr. Darüber ist noch ein hauchdünnes, blau gefärbtes Kupferblech montiert, das besonders viel Sonnenenergie aufnimmt und das Wasser dann bis auf 70 oder gar 80 Grad erhitzt.
Weil in der Röhre ein Vakuum herrscht und dies eine sehr gute Isolation garantiert, erreichen Weisers Sonnenkollektoren einen Wirkungsgrad von 80 Prozent und sind sogar bei Tiefsttemperaturen und diffusem Licht noch einsetzbar. "Die üblichen Solarzellen zur Stromerzeugung haben nur einen Wirkungsgrad von etwa 20 Prozent", sagt Weiser. "Schon das macht den Unterschied."
Weisers Akotec ist eines der wenigen Unternehmen in Deutschland, die solche Vakuumröhren originär herstellen. Darauf gekommen ist der gebürtige Westberliner, der sich schon seit frühen Jugendjahren mit Technologien zur alternativen Energiegewinnung beschäftigt, als er Anfang des neuen Jahrhunderts als Unternehmensberater nach Sachsen ging.
Eine Tochterfirma des früheren DDR-Lampen-Monopolisten Narva suchte nach neuen Produkten. Gemeinsam entwickelten sie die Vakuumröhre, die nun bei Narva produziert wird und die Akotec auf Kundenwunsch zu Kollektoren unterschiedlicher Leistung zusammenbaut: für Einfamilienhäuser, ganze Produktionsanlagen oder als kleine autarke Wärmekraftwerke, die ein ganzes Dorf mit etwa 1000 Bewohnern versorgen können.
Für das Kasseler Unternehmen Enersolve, das für den Gas-Fernleitungsnetzbetreiber Ontras die bislang größte Solarthermie-Anlage in Deutschland gebaut hat, lieferte Akotec die Großkollektoren zu. "Auch an den Telekom-Standort in Baden-Württembergs ältester Stadt Rottweil haben wir mehr als 3000 Powerröhren geliefert", sagt der Akotec-Chef. Selbst das Benediktinerinnen-Kloster Kellenried setze nun mit Akotec-Röhren auf "Wärme von ganz oben".
Für Kunden sind die Anschaffungskosten für die Röhrenkollektoren zwar in etwa doppelt so hoch wie für einen gewöhnlichen Gas- oder Ölheizkessel. Dafür aber sind die Verbrauchskosten dann praktisch bei null. "Bei den aktuellen immensen Energiepreissteigerungen amortisieren sich die Anlagen jetzt noch viel schneller als bislang gedacht", sagt Weiser. "Dabei haben unsere Kollektoren eine Betriebsdauer von mindestens 25 Jahren."

Energiesparen:Wie man als Eigentümer seine Energiekosten schnell senken kann
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Mehr als 2000 Standardkollektoren und mindestens 200 Megakollektoren baut Weisers Firma jährlich in Angermünde zusammen. Mehr als die Hälfte davon bleibt in Deutschland. "Die anderen Anlagen gehen ins Ausland", sagt er. Nach Kanada, in die USA, nach Mexiko, Indien, in das Baltikum oder gar nach China, das die Solarthermie früher als andere Nationen für sich entdeckt hat.
Nach Berechnungen des Renewable Energy Policy Network (REN 21) in Paris standen schon 2016 mehr als 70 Prozent aller installierten Anlagen in China - Tendenz weiter steigend. Weiser macht diese Übermacht dennoch nicht bange: "Unsere Röhren sind zumeist leistungsfähiger, qualitäts- und funktionssicherer. Im Gegensatz zu den Solarzellenherstellern müssen wir die chinesische Konkurrenz nicht fürchten, zumal wir zusammen mit den Narva-Leuten ständig an Verbesserungen und Neuentwicklungen arbeiten."

In Deutschland aber agiert Weiser trotz Wende-Hype mit Akotec noch immer in einer Nische. Er fühlt sich darin nicht unwohl, weil die Nachfrage nach seinen Kollektoren mit den explodierenden Energiepreisen sprunghaft angestiegen ist. "Immer mehr wollen weg von Öl und Gas", sagt er. "Und das, wenn's geht, sofort. Aber wir können längst nicht alle Wünsche erfüllen. Unsere Warteliste wird fast täglich länger."
Trotz voller Auftragsbücher ist er nicht zufrieden mit der Situation. Die Politik vernachlässige die Solarthermie. Thema in Deutschland sei fast nur der Strom, sagt Weiser. "Dabei macht weit über die Hälfte unseres Energiebedarfs die Wärme aus." Eine fundierte Debatte darüber finde aber nicht statt, ärgert er sich. "Stattdessen wird über die verfehlte Solarstromförderung, über Windräder oder fehlende Überlandleitungen gestritten."
Weiser ist sich sicher, dass ohne die intensive Nutzung der Solarthermie die ehrgeizigen Klimaschutzziele nicht erreicht werden können. "Wir liefern Wärme schadstofffrei und verbrauchen keine Rohstoffe bei ihrer Erzeugung", sagt er. Aber der Anteil der Solarthermie an der Wärmeerzeugung dümple seit Jahren bei gerade mal vier Prozent vor sich hin. "Keine Frage", sagt der selbsternannte Sonnenfänger, "energiepolitisch schauen wir noch immer in die Röhre."