Siegfried Mauser:Es ist nicht zu fassen

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Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen.

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Haben die weiblichen Opfer sexueller Übergriffe den Machtmissbrauch in der Musikhochschule München erst möglich gemacht? Und hat die Übergriffigkeit männlicher Höhergestellter dort ebenso wie das Vertuschen schon lange Tradition?

"Schlussakkord" vom 17. Mai:

Ich kann nur fassungslos den Kopf schütteln über das, was einem da als gestandene Frau und Leserin im Artikel über Professor Mauser und die Verhältnisse an der Musikhochschule zugemutet wird. Da machen erwachsene Frauen geltend, sie seien vor 14, neun und fünf Jahren Opfer sexueller Übergriffe des Herrn Professor Mauser geworden und verlangen jetzt gerichtliche Genugtuung dafür. Davor haben sie willig geschwiegen, in der vagen Hoffnung auf Jobs und Liebesbeziehung mit dem Übeltäter, haben gar noch nach den Übergriffen freiwillig mit dem Übeltäter geschlafen, angeblich um dadurch das davor erlittene Unrecht zu "heilen". Jesses Gott. Ich höre schon den Aufschrei der "Me Too"ler, wenn ich behaupte, dass es Frauen wie diese sind, die Männern Mauserscher Prägung ihren Machtmissbrauch erst ermöglichen. Bekämen solche Männer die jeweils verdiente Abfuhr, dann könnte sich auch ein Mauser'sches System nicht etablieren.

Dr. B.M. Johanna Luber, Kreuzlingen/Schweiz

Weit größere Dimension

Für Unkundige muss der Eindruck entstehen, dass dieses Urteil vor allem als warnendes Ausrufezeichen in der "Me Too"- Debatte zu verstehen ist - unter anderen Umständen hätte Siegfried Mauser genauso gut freigesprochen werden können. Seine Beschreibung als formvollendeter Schöngeist tut ein Übriges, um zwischen den Zeilen nicht nur leise Zweifel zu säen, ob die Entscheidung der Richterin (!) wirklich gerecht ist. Kennt man die Situation an der Musikhochschule aus persönlicher Erfahrung, muss man sich fragen, ob die Autoren nur der Komplexität des Themas ausgewichen sind oder ob sie die wirkliche Dimension von Mausers Übergriffigkeit, die weit über die konkret verhandelten Fälle hinausreicht, bewusst kleinreden wollten. Denn an der Hochschule haben die vielen Abstufungen von Belästigung bis zu Missbrauch durch männliche Höhergestellte leider durchaus Tradition, genauso wie das Vertuschen. Siegfried Mauser hat als Präsident nicht nur dagegen nichts unternommen, sondern im Gegenteil ebenfalls seine Machtposition sexuell ausgenutzt. Dafür wurde er nun verurteilt.

Sebastian Euler, München

Mehrdeutige Bilder

Immer hatte Sex auch mit Macht und Reichtum, mit oben und unten zu tun. Deshalb brauchen wir eine intensive Diskussion, wie wir weiterhin mit Sex umgehen. Durchaus vorstellen kann ich mir auch, dass sich in Beziehungen im Rückblick die Beleuchtung eines Abends ändern kann. Ist ursprünglich etwas an Hoffnung und unbewussten Erwartungen in der Situation gelegen, so kann der gleiche Abend nach einiger Zeit, nachdem sich die Erwartungen nicht erfüllt haben, in einem anderen, kälteren und härteren Licht im Rückblick stehen. Im Fall Siegfried Mauser bin ich sehr froh, dass ich nicht ein Urteil fällen muss. Unter Umständen muss man akzeptieren, dass sich nach einiger Zeit mehrdeutige, unscharfe Bilder ergeben, die sich nicht be-, und erst recht nicht verurteilen lassen.

Toni Lüdi, München

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