Seenotrettung:Ist das Sache der Kirche?

Die evangelische Kirche will ein Schiff ins Mittelmeer schicken. Ist das christliche Pflicht, weil es Menschen vor dem Ertrinken rettet? Oder nicht, weil es sie ermuntert, ihr Leben zu riskieren?

Zu "Kirche auf hoher See" vom 13. September: Die karitativen Verdienste der evangelischen Kirche in Deutschland sind unbestreitbar. Aber die Berichte über die vorgesehene Organisation eines Schiffes zur Seenotrettung im Mittelmeer machen doch nachdenklich. Ohne Zweifel gehört es zum diakonischen Auftrag der Kirche, Menschen in Lebensgefahr zu helfen; denn "Not hat keine Nationalität". Insofern besteht kein Zweifel, dass in Seenot geratene Menschen vor dem Ertrinken zu retten eine selbstverständliche Menschenpflicht ist. Zu fragen aber wäre, wie sinnvoll es ist, Menschen ein Hilfsangebot zu machen, die sich bewusst in Seenot begeben. Eine Verwechslung mit den sogenannten Schleppern liegt dabei allzu nahe. In der Tat ist die Not in der sogenannten Dritten Welt himmelschreiend, und den notleidenden Menschen sollte tatkräftig geholfen werden. Aber das Rettungsprojekt der EKD im Mittelmeer hat eher den Charakter einer PR-Aktion als einer sinnvollen Hilfe. Der Reichtum und der noch vorhandene Einfluss der Kirche sollten unzweideutigen Aufgaben dienen.

Dr. Hermann Beck, Hof/Saale

Indem die EKD ein Rettungsschiff zur Seenotrettung von Geflüchteten bereitstellt, erfüllt sie eine Grundanforderung christlicher Ethik. Im Matthäus-Evangelium sagt Jesus zu den Schafen auf seiner rechten Seite: "Ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben, ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben" (Mt. 25,35). Den Böcken zu seiner linken Seite dagegen bescheinigt er: "Ich war hungrig, aber ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig, aber ihr habt mir nichts zu trinken gegeben" (Mt. 25,42). Es ist nur folgerichtig, diesen jesuanischen Imperativ heute weiterzuführen: "Ich war am Ertrinken, und ihr habt mich nicht gerettet." Oder eben doch, wie es die EKD nun tut. Es ist Papst Franziskus, der seit Jahren die Aufmerksamkeit auf den Skandal zu richten versucht, dass sich das Mittelmeer zum Massengrab entwickelt, und der ein Eingreifen der politisch Verantwortlichen anmahnt. Es ist gut, dass die evangelischen Brüder und Schwestern dem zivilisatorischen Grundanspruch der Rettung von Menschenleben nun nachkommen. Aber die Seenotrettung ist nur die Eindämmung der schlimmsten Symptome einer "Wirtschaft, die tötet" (Papst Franziskus). Nun gilt es, die Fluchtursachen zumindest einzudämmen. Wer ein leichenfreies Mittelmeer möchte, muss Schluss machen mit der ökonomischen Ausbeutung von Mensch und Umwelt.

Jonas Christopher Höpken, kath. Theologe, Oldenburg

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