Artikel "Nicht nur straffrei, sondern auch legal?" vom 10. April und Kommentar "Diese Chance" vom 12. April:
Kompromiss beibehalten
Wir sollten die Rechtslage nicht ändern, denn sie ist Ergebnis eines mühsamen, jahrzehntelangen Ringens. Ein Recht auf Abtreibung darf es nicht geben, denn die Würde des Menschen, damit der Schutz menschlichen Lebens von der Zeugung bis zum Tod, ist die oberste Aufgabe eines humanen Staates. Das Lebensrecht des Ungeborenen wiegt ebenso schwer wie das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren. Frauen, die abtreiben lassen, und das medizinische Personal, das Abtreibungen durchführt, müssen sich dessen bewusst bleiben, dass sie hier etwas moralisch wie juristisch Fragwürdiges tun. So darf es auch keine speziellen Abtreibungskliniken geben. Andererseits sollte in jeder Klinik eine anonyme, vom Staat bezahlte Geburt und eine ebenfalls anonyme Adoptionsfreigabe des Neugeborenen möglich sein.
Christian Fuchs, Gutenstetten
Paragraf 218 abschaffen!
Wer meint denn da alles, mitreden zu müssen, wenn es um die Frage der Abtreibung geht: der Staat, die Kirchen und andere mehr oder weniger unbeteiligte Personen. Dabei geht es doch nur um eine Person: die Schwangere. Jede Frau, die an einen Schwangerschaftsabbruch denkt, setzt sich intensiv mit dem Für und Wider auseinander. Es ist schließlich eine Entscheidung, die das Leben der werdenden Mutter grundlegend verändert.
Im Artikel 6 Absatz 4 des Grundgesetzes heißt es: "Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft." Aber wie sehen denn der Schutz und die Fürsorge in der Realität aus? Mütter sind überwiegend für die Kindererziehung zuständig, arbeiten häufig in Teilzeit, sind häufiger von Altersarmut bedroht als Männer. Wo bleiben die Kita-Plätze, damit Mütter genauso die Chance auf eine adäquate Berufsausübung haben wie Väter? Wie wird Erziehungsarbeit auf die Rente angerechnet? Ich bitte doch sehr darum, die "Gewissensfrage" vor dem Lebenshintergrund der werdenden Mütter zu sehen und nicht nur vor dem des ungeborenen Lebens.
Ein Blick über den Tellerrand nach Australien ist auch hilfreich. Dort werden Frauen in jeder Beziehung ernst genommen, und Abtreibung ist straffrei. Offensichtlich hat das nicht dazu geführt, dass es einen Anstieg von Schwangerschaftsabbrüchen gegeben hat. Meine Forderung: komplette Abschaffung des Paragrafen 218, keine Beratungspflicht, aber auch Ausbau von allen kinderfreundlichen und unterstützenden Maßnahmen zur Verbesserung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation von Müttern.
Heide Monheimius-Strack, München
Reaktionäres aus Karlsruhe
Der Bundestag wollte schon 1992 eine fortschrittliche Regelung, damals auch mit Unterstützung aus der CDU. Dann kaperten jedoch Reaktionäre das Bundesverfassungsgericht. Aus dem Spiegel vom 6. Dezember 1992: "Vier der acht Richter sind praktizierende Katholiken", heißt es da. Und weiter: Der Richter Ernst-Wolfgang Böckenförde "gehörte lange Jahre der militanten 'Juristen-Vereinigung Lebensrecht' an. Er trat 1990 aus, ersichtlich, um dem Vorwurf der Befangenheit zu begegnen."
Im Urteil von 1993 ignorierten unsere Hüter des Grundgesetzes dann Artikel 1 des Grundgesetzes. Der zitiert die "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte". Damit sind Menschen nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte "geboren" und nicht "gezeugt" - um zu verhindern, dass Frauen mittels Schwangerschaft versklavt werden: der Standard in modernen Menschenrechtserklärungen. Statt auf die Menschenrechtserklärung aus dem 20. Jahrhundert beriefen sich die Richterinnen und Richter in ihrem Urteil auf Paragraf 10 des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten aus dem 18. Jahrhundert. Darin heißt es: "Die allgemeinen Rechte der Menschheit gebühren auch den noch ungebornen Kindern, schon von der Zeit ihrer Empfängniß." Dank des Bundesverfassungsgerichts geistert 2024 also das Recht eines fremden Staates - einer absolutistischen Monarchie - durch das Strafgesetzbuch.
Franziska Fischer, Raubling
Heute legal, morgen Mord?
Der Gesetzgeber soll gegebenenfalls Schwangerschaftsabbrüche über die zwölfte Woche hinaus legalisieren, die Grenze liege circa in der 22. Woche. Wie absurd! Dann könnte man einem Fötus am letzten Tag der 21. Woche den Garaus machen, wohingegen er nur einen Tag später nicht mehr abgetrieben werden darf, da er wegen seiner Lebensfähigkeit ab sofort das von des Bundestags Gnaden verbriefte Recht hätte, ein selbständig existierendes Menschlein zu werden. Müsste man ferner akkurat ab diesem Tag einen Abbruch als ein Delikt der Tötung, sogar des Mordes definieren, für nur 24 Stunden davor aber noch nicht? Wer kann es sich eigentlich anmaßen, den Beginn menschlichen Lebens exakt festzulegen?
Zum Thema der angeblich unabhängigen Expertenkommission: Unter den 18 Mitgliedern findet man bloß drei männliche, als ob werdende Väter eine Schwangerschaft nichts anginge. Ferner handelt es sich offenbar fast ausschließlich um solche Frauen, die sich von vornherein erwartungsgemäß im Sinne der Regierung äußern sollten. Ein Großteil ebendieser definiert sich logischerweise als feministisch. Ferngehalten wurden vor allem Vertreter der verschiedensten in unserem Land wirkenden Kirchen und religiösen Verbände. Welche Verachtung gegenüber unserer christlich geprägten Gesellschaft.
Georg Müller, Regenstauf
Karlsruhe gilt
Die Kommentatorin bemerkt, das Recht von Frauen auf körperliche Selbstbestimmung werde an vielen Orten infrage gestellt. Stimmt. Zum Beispiel in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht.
In seinem Urteil von 1975 führt es aus, das Selbstbestimmungsrecht der Frau sei mit dem Schutz des werdenden Lebens in Abwägung zu bringen. Das Gericht hat diese Abwägung auch gleich selbst unmissverständlich vorgenommen: Der Schutz des Lebens hat den Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Frau. An dieser Verfassungslage können auch Zeiten- und Stimmungsänderung nicht einfach so etwas ändern - zum Glück für die Kinder im Mutterleib. Jährlich werden in Deutschland rund 100 000 Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen (oft noch schöngeredet als Unterbrechungen). Ist denn der Schutz des werdenden Lebens weniger wichtig als der Schutz von Kröten bei ihrer Wanderung?
Prof. Peter-Christian Kunkel, Offenburg
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