Firmenporträt:Die Schoko-Revolutionäre

Firmenporträt: Vom Studienabbrecher zum Vorzeigeunternehmer: Daniel Duarte, 33, bezeichnet seinen Weg in die Selbständigkeit als abenteuerlich.

Vom Studienabbrecher zum Vorzeigeunternehmer: Daniel Duarte, 33, bezeichnet seinen Weg in die Selbständigkeit als abenteuerlich.

(Foto: koakult GmbH)

Kakao mit Koffein: Ein Start-up von Studenten hat es von der Küchen-WG zu einem Unternehmen mit Millionenumsatz geschafft.

Von Steffen Uhlmann

Abenteuerlich findet Daniel Duarte, 33, seinen Weg in die Selbständigkeit, der vor etwa zehn Jahren mit einem totalen Chaos in seiner Kölner WG-Küche begann und ihn inzwischen zum Chef und Miteigentümer der Koakult GmbH mit Sitz in Berlin gemacht hat - dem, wie er behauptet, "nachhaltigsten Food-Unternehmen Deutschlands".

Bevor Duarte und sein Mitbewohner Heiko Butz damals das Chaos in ihrer Küche auslösten, hatten die beiden Studenten wochenlang darüber gerätselt, wie sie den vor Prüfungen üblichen nächtlichen Lernstress besser überstehen könnten. "Kaffee war für uns keine Lösung, der schmeckte uns beiden nicht", sagt der gebürtige Kolumbianer. "Also haben wir es zunächst mit Kakao versucht, der ist bei mir zu Hause ein Nationalgetränk." Doch Kakao pur habe noch keinen richtig wach gehalten, geschweige denn einen Leistungspush erzeugt, gesteht Duarte ein. "Dazu braucht es einfach Koffein."

So kamen sie schließlich auf die Idee, zwei südamerikanische Klassiker miteinander zu vermischen: die Trinkschokolade mit dem Samen der in Brasilien wachsenden immergrünen tropischen Pflanze Guaraná, deren bitter schmeckender Kern mehr Koffein enthält als jede Kaffeebohne. Darum wurde die Pflanze von indigenen Völkern Lateinamerikas auch als Heilmittel für diverse Krankheiten genutzt.

Der Erfolg ihres ersten Wachmachers hat die beiden Studenten überrascht

Das Küchen-Chaos nahm seinen Lauf, als die jungen Männer begannen, Kakao und Guaraná-Samen noch mit weiteren Zutaten zu vermischen, in Wasser aufzulösen und mit einem schnöden Campingkocher zu erhitzen. Über den Geschmack aber wurden sie sich so bald nicht einig. "Eine Mischung löste die andere ab", sagt Duarte. "Darum haben wir dann Verkostungen im Bekanntenkreis und auf dem Uni-Campus durchgeführt."

Als Favorit schälte sich eine Pulver-Rezeptur mit der Beimischung von Zimt und Kardamom heraus. "Mit dieser Mischung haben wir uns später auch an einigen Start-up-Wettbewerben beteiligt und dabei fast immer erste Plätze abgeräumt ", erinnert sich Duarte. "Sie ist auch heute noch einer unserer Bestseller."

Der Erfolg ihres ersten Wachmachers aus der Tasse hat die beiden Studenten überrascht und dann auch motiviert, sich beruflich neu zu bestimmen. "Im Sommer 2014 haben wir entschieden, unsere jeweiligen Master-Studiengänge abzubrechen und die Koakult GmbH zu gründen", erzählt Duarte. "Unser Ehrgeiz war riesengroß. Wir fühlten uns als Revolutionäre und wollten mit unserem Getränk der Marke Koawach die halbe Welt versorgen, und die ganze gleich mal Schluck für Schluck ein bisschen besser machen - mit fair gehandelten Rohstoffen der Kakaoindustrie."

Firmenporträt: Daniel Duarte und die Guaranáproduzentin Clicia Almeda Mathias von der Kooperative Agrofrut in Urucará (Brasilien). Der Koakult-Chef reist regelmäßig zu seinen lateinamerikanischen Kooperationspartnern.

Daniel Duarte und die Guaranáproduzentin Clicia Almeda Mathias von der Kooperative Agrofrut in Urucará (Brasilien). Der Koakult-Chef reist regelmäßig zu seinen lateinamerikanischen Kooperationspartnern.

(Foto: koakult GmbH)

Ihre Revolution aber fiel zunächst ziemlich kümmerlich aus. Erste Versuche, ihre Koawach-Mischungen in der Gastronomie und Hotellerie unterzubringen, schlugen fehl. Blieben die Lebensmittel-Discounter. "Aber da kommt man eigentlich nur rein, wenn man gelistet ist", sagt Duarte. Drei Berliner Supermärkte gaben ihnen im Oktober 2014 dennoch die Chance, ihre Kakaomischung im Test anzubieten. "Als wir dort binnen kurzer Zeit fast alles verkauft hatten, stieg Kaiser-Tengelmann gleich mal mit 100 Märkten ein", sagt der Koakult-Chef und schüttelt den Kopf: "Von drei auf 100, und das quasi über Nacht."

Duarte erinnert sich noch genau daran, wie sie tage- und nächtelang mit einer Handvoll Studenten Regale bauten, er zugleich auf die Suche nach Produzenten der von ihm kreierten Mischungen und der dazugehörigen Verpackungen ging und vor allem weltweit nach Rohstofflieferanten fahndete. Und eben alles gleich und sofort.

Der eigentliche Durchbruch kam durch die TV-Show "Höhle der Löwen"

Und überall stellten sich Hürden in den Weg: wenig Kapital, ein harter Lebensmittelmarkt, Produktionsengpässe, falsche Produktwahl auch, Beschaffungs- und Transportsysteme, die nicht reibungslos funktionierten, dann der komplette Firmenumzug nach Berlin, Wechsel im Team, private Probleme. Dazu gehörte auch, dass sich Duarte und Butz nach Jahren gemeinsamer Arbeit trennten. "Heiko ist später ganz ausgestiegen und hat sich beruflich neu orientiert", sagt Duarte und will das nicht weiter erklären. "Aber wir sind friedlich auseinander, er ist noch immer Miteigentümer von Koakult."

Hinzu gekommen dagegen sind neue Investoren, darunter auch ein Business-Angel, der mit seinem privaten Geld als Erster bei Koakult eingestiegen ist. "Aus allen Problemen habe ich immer auch ein Stück dazugelernt", sagt Duarte. "Und, was wichtig ist, wir haben sie auch gelöst." Der eigentliche Durchbruch kam für die beiden Gründer, als sie im Oktober 2015 in der TV-Show "Höhle der Löwen" auftraten und mit ihrem Pulver viel Lob von der Investorenjury einheimsten. Den von einem Jurymitglied angebotenen Deal aber lehnten sie ab.

Trotzdem eroberten sie mit ihren Pulvern und Drinks to go in kurzer Zeit viele neue Super- und Biomärkte. "Mit der Bestellung von 2000 Beuteln hatten wir nach unserem TV-Auftritt gerechnet", sagt Duarte und lacht. "Mein Gott, waren wir naiv. "Bei 15 000 Bestellungen haben wir aufgehört zu zählen." Duarte kann sich nur noch dunkel erinnern, wie es ihnen gelungen ist, alle Aufträge abzuarbeiten. Aber eines weiß er noch genau: "Danach hatten wir so um die 400 000 Euro auf unserem Firmenkonto. Für uns damals eine unglaubliche Summe."

Sämtliche Produkte sind nicht nur bio und vegan, sondern auch Fairtrade-zertifiziert

Was folgte, waren Jahre, in denen Koakult zu einem soliden Unternehmen gewachsen ist - mit festen Strukturen, verlässlichen Produzenten, Dienstleistern und Logistikern. Das Unternehmen selbst beschäftigt nun in Berlin 40 Mitarbeiter, die in den Bereichen Marketing, Verkauf und Einkauf sowie Produktentwicklung tätig sind. 15 Produkte, Pulver, Drinks, Riegel, Snacks, Kekse und demnächst auch Müsli hat Koakult mittlerweile schon im Angebot. "Man habe damit im vergangenen Jahr trotz Corona rund 6,5 Millionen Euro umgesetzt", rechnet der Chef hoch. Im laufenden Jahr, glaubt er, werde man wohl bei zehn Millionen Euro landen.

Wichtiger noch als diese Umsatzsprünge ist Duarte der Aufbau fester und vor allem auch fairer Handels- und Lieferbeziehungen. "Der Kakao aus Peru, Guaraná aus Brasilien, Rohrzucker aus Paraguay - uns geht es nicht nur um Qualitätsrohstoffe, sondern auch um eine faire Zusammenarbeit mit den Bauern und Händlern entlang der gesamten Lieferkette", sagt Duarte. Und da seien sie schon ein gutes Stück vorangekommen.

Sämtliche Koawach-Produkte sind inzwischen nicht nur bio und vegan, sondern auch Fairtrade-zertifiziert. Für seine Zutaten zahlt das Unternehmen freiwillig Einkaufspreise über dem eigentlichen Marktpreis und achtet zugleich darauf, dass die Rohstoffe nach vorgeschriebenen Standards angebaut und gehandelt werden. Duarte ist darum regelmäßig bei seinen lateinamerikanischen Kooperationspartnern unterwegs.

Der Firmenchef will demnächst eine reale Null-Emission seines Unternehmens erreichen

Fairtrade ist für ihn ein ganzheitliches System, das den in Kooperativen zusammengeschlossenen Kleinbauern nicht nur faire Verwertungschancen ihrer Produkte einräumt. "Sie haben sich", sagt er, "auch sozialen Standards, wie dem Verbot von Kinderarbeit oder der Gleichstellung von Männern und Frauen, unterworfen und sind dabei, in ihren Kooperativen moderne Anbaumethoden sowie ressourcenschonende Klimaschutzmaßnahmen einzuführen. "

Auch das Unternehmen selbst versucht nach seiner Bio-, Vegan- und Fairtrade-Zertifizierung noch nachhaltiger zu agieren. Einen klimaneutralen Status hat Koakult bereits erreicht, indem das Unternehmen zum Ausgleich seiner CO₂-Emissionen ausgewählte Klima- und Waldschutzprojekte in den Rohstoff-Herkunftsländern finanziell unterstützt. "Der finanzielle Ausgleich von Kohlendioxid hat uns bislang pro Jahr nur reichlich ein halbes Prozent Umsatz gekostet", rechnet Duarte vor. "Bei solchen verkraftbaren Summen wird es Zeit, dass sich viel mehr Unternehmen daran beteiligen, ihre Emissionen zu 100 Prozent auszugleichen."

Er selbst aber will noch besser werden und demnächst eine reale Null-Emission seines Unternehmens erreichen. Duarte hat für diesen "revolutionären Schritt" auch neue Kapitalgeber gefunden. Als Duarte im Oktober vergangenen Jahres auf der Plattform Econeers seine zweite Crowdfunding-Kampagne startete, hatte er bereits nach knapp zwei Wochen bei knapp 550 Investoren 800 000 Euro eingesammelt, 150 000 Euro mehr, als man geplant hatte. Für Econeers eine ihrer schnellsten und erfolgreichsten Finanzierungsrunden überhaupt. Und für Duarte der Beweis, dass er als Unternehmer und selbsternannter Schoko-Revolutionär einen Nerv in dieser unruhigen Zeit getroffen hat.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusEssen und Trinken
:Die eine Kaffeemaschine fürs Leben

Gibt es die perfekte Espressomaschine? Ein kleines Team aus Schweizer Ingenieuren und Kaffee-Enthusiasten tüftelt daran seit Jahren - und setzt mit seinem Modell auf Nachhaltigkeit und Handarbeit.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: