Sachsen-Anhalt:Verarbeitung der Wahl

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Viele Wähler hätten taktisch ihre Stimme dem Amtsinhaber gegeben, daher habe die AfD weniger Stimmen erhalten als bei der letzten Landtagswahl, sind einige Leser überzeugt. Mehr politische Bildung verlangen andere, und eine Angleichung der Löhne.

Zu "Geschlagen und gefährlich" vom 10. Juni, "Der Brandmauer-Effekt" vom 8. Juni sowie zu "Macht der Radikalen", 7. Juni:

Demokratie immer neu lernen

Die fast gleichbleibende Stärke der AfD in Sachsen-Anhalt zeigt doch, dass der Ostbeauftragte der Bundesregierung Wanderwitz mit seinen Äußerungen, dass Ostdeutsche "diktatursozialisiert" seien und nicht mehr für die Demokratie gewonnen werden können, so ganz Unrecht nicht hatte. Es sind vor allem die über 60-Jährigen, auf die seine These zutrifft. Das muss man verstehen. Wo hätten sie Demokratie lernen können? Weder in Hitlerdeutschland, noch in SED-Ostdeutschland, wenn tatsächlich zutrifft, was Oskar Negt über die Demokratie gesagt hat: "Demokratie ist die einzige politisch verfasste Gesellschaftsordnung, die gelernt werden muss - immer wieder, tagtäglich und bis ins hohe Alter."

Zum Kern der AfD gehören sicher auch diejenigen, die "völkisch" denken. Das hat etwas mit dem biologischen Erbe des Menschen zu tun, mit der Art, wie Menschen seit Urzeiten bis heute - vor allem in Zeiten der Krise und Gefahr - ihr soziales Leben organisieren, eher autokratisch mit einem starken Führer und undemokratisch. Dazu zählt ebenso Fremdenfeindlichkeit, da man von der Überlegenheit des eigenen Volkes überzeugt ist.

20 bis 30 Prozent der AfD-Wähler sollen der jüngeren Generation angehört haben. Ihr Wahlverhalten hat sicher viel mit Protest zu tun. Erst wenn man den Menschen in Ostdeutschland auf Augenhöhe begegnet, die Renten und Löhne dem Westniveau angleicht und der jüngeren Generation Lösungen und Perspektiven für ihre Zukunft eröffnet, werden viele von ihnen ihren Protest gegen die wirtschaftliche und soziale Ungleichheit aufgeben. Wichtig ist aber auch die Stärkung der politischen Bildung - und zwar im Sinne der Demokratie, wenn das gilt, was Negt über die Demokratie gesagt hat.

Jürgen Einhoff, Hildesheim

In Bildung investieren

Auf lange Sicht hilft gegen AfD nur eine massive Investition in Bildung, von der Kita bis zur Uni. Das ist in einem rohstoffarmen Land der Punkt, an dem man ansetzen muss, um Extrempositionen erfolgreich einzudämmen. Hier sind Investitionen wahrlich zukunftsorientiert angelegt.

Dr. Bernhard Kirchgessner, Passau

Wähler für dumm verkaufen

Die neurotischen Distanzierungsbekundungen der CDU zur AfD sind nicht nur wohlfeil, sie dienen offensichtlich der Selbstvergewisserung beziehungsweise der Parteiräson. Wer glaubt, der Euro sei ein Erfolgsmodell und seine Rettung habe nichts zu tun mit dem Verlust unserer Ersparnisse, wählt weiter CDU. Wer glaubt, die hunderttausendfache Zuwanderung von Menschen aus dem islamischen Kulturkreis sei ein Gewinn für unser Rentensystem und die Integration zu schaffen, der wählt weiter CDU. Und wer glaubt, Deutschland könne durch Abschaltung aller Kern- und Kohlekraftwerke das Weltklima retten und gleichzeitig den Wohlstand erhalten, der wählt weiter CDU. Die Abgrenzung zur AfD ergibt sich also inhaltlich, und das Beschwören der Unvereinbarkeit zeigt nur, für wie dumm Wähler gehalten werden.

Martin Hartmann, Babenhausen

Taktische Wahlentscheidungen

"Die AfD könnte stärkste Kraft werden." So lauteten die Prognosen vor den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen 2020. Und so lautete auch die Prognose vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Von diesen Prognosen profitierten in allen vier Wahlen die Parteien der amtierenden Ministerpräsidenten; denn um den Triumph der demokratieverachtenden AfD zu verhindern, wählten viele taktisch und gaben ihre Stimme der Partei, die Potenzial hatte, die AfD auf den zweiten Platz zu verweisen.

Es ehrt Wähler, wenn sie sich schützend vor die parlamentarische Demokratie stellen. Auch soll die Gefahr, die von der AfD ausgeht, nicht kleingeredet werden. Bedenklich wird es, wenn Wahlverhalten und Wahlergebnisse von wahltaktischen Überlegungen dominiert werden. Nun ist es an Mecklenburg-Vorpommern, im September zu zeigen, dass auch in den "neuen" Bundesländern Wahlen möglich sind, bei denen Parteiprogramm und -kandidaten den Ausschlag geben, nicht wahltaktische Überlegungen.

Roland Sommer, Diedorf

Mit eigener Arbeit überzeugen

Den Erfolg der AfD sehe ich vor allem in der Werbung aller übrigen Parteien und Medien. Dauernd lese und höre ich: Was tut sie? Was will sie? Wie zerstritten ist sie? Wie gestrig und hinterhältig? Vielleicht wäre es gut, wenn alle Teilnehmer dieses Chors schweigen und das gut machten, wofür sie mit anderer Überzeugung stehen.

Univ. Prof. Dr. Götz Uebe, Ludwigslust

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