Roboter:Jetzt kommt Pepper

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Thomas Hähn, Geschäftsführer der United Robotics Group, glaubt, dass Dienstleistungsroboter künftig stärker zum Einsatz kommen. (Foto: Ines Walter/United Robotics Group)

Lange galten Roboter als Bedrohung. Doch nun sollen sie in der Pflege, Hotellerie oder der Gastronomie das Problem des Fachkräftemangels lösen. Das ist nicht so einfach.

Von Steffen Uhlmann

Der Typ ist einen Meter groß und mit 40 Kilogramm auch ziemlich schlank. Er hat einen kugelrunden Kopf und schwarze Kulleraugen - sein Name ist Pepper, sein genaues Alter ist unbekannt. Man weiß nur, dass er weltweit um die 40 000 Mal existiert und die ersten Exemplare wohl 2014 beim französischen Start-up Aldebaran in Paris zur Welt kamen - als dienstbare Roboter. Sechs Jahre später schien das Schicksal von Pepper besiegelt zu sein, die Produktion wurde mangels Nachfrage eingestellt.

Dabei hat der tapsige Geselle einiges zu bieten. Er kann Märchen vortragen, Lieder singen und Auskunft geben, etwa über das Wetter. Oder gar für Senioren in Pflege- und Altenheimen als Unterhalter oder Fitnesstrainer agieren. Er hat auch noch eine Art Bruder, genannt Nao.

Der wiederum ist halb so groß wie Pepper und bietet seine Dienste lieber als Concierge-Gehilfe in Hotels und Herbergen an. An Hochschulen haben ihm Studenten Fußballspielen beigebracht. Seitdem spielen verschiedene Teams gegeneinander um den "Robocup".

Neugierig, hilfsbereit und selbständig, das seien die drei wichtigsten Eigenschaften von Pepper und Nao, sagen seine Erbauer. Sie haben die beiden Gesellen als sogenannte Companion Robots (Roboter-Gefährten) konzipiert und darauf ausgelegt, informativ und kommunikativ zu agieren. Das eröffnet für sie vielfältige Einsatzmöglichkeiten als dienstbare Mitarbeiter in der Gesundheitswirtschaft und Pflege, im Handel und in der Hotellerie oder etwa im gesamten Bildungsbereich.

Doch warum versiegte das Interesse an Pepper und Nao schneller als gedacht? Thomas Hähn glaubt zu wissen, warum der mit menschlichen Zügen versehene Roboter bislang keine Erfolgsgeschichte geworden ist. "Es fehlte eine wirklich weiterführende Vision", sagt Hähn, der der United Robotics Group (URG), einer Tochtergesellschaft der Essener Stiftung Ruhrkohle AG (RAG), vorsteht.

Als Lackierer, Schweißer oder Monteur arbeiten sie schier pausenlos - ohne dabei zu ermüden

Stattdessen gab es manchen Ärger mit technischen Ausfällen. Und wenn es nur Peppers abgebrochene Finger waren. Die Anfangseuphorie wich schnell einem zunehmenden Desinteresse an dem humanoiden Automaten. Schließlich habe es für größere Absatzzahlen auch an ausreichend konkreten Anwendungsmöglichkeiten gefehlt, sagt Hähn. "Das aber soll nun anders werden."

Lange galten Roboter als Bedrohung. Die Sorge war, dass diese Automaten den Menschen die Arbeit wegnehmen. Diese Zeiten sind längst vorbei. Wirtschaft und Gesellschaft stöhnen über einen immer gravierenderen Fachkräftemangel und wegen fehlender Arbeitskräfte für einfache, bisweilen stupide und teilweise körperlich schwere Jobs, die hierzulande keiner mehr machen möchte. Jetzt aber, so die Hoffnung, könnten Roboter und künstliche Intelligenz solche Arbeiten übernehmen und die Wirtschaft mit am Laufen halten.

Bislang sind Roboter vor allem in Fabriken im Einsatz - als Lackierer, Schweißer oder Monteur arbeiten sie schier pausenlos, ohne dabei zu ermüden. Mehr als 230 000 dieser Industrieroboter sind mittlerweile in Deutschland in Aktion. Und allein schon mit ihrer hohen Produktivität helfen sie, das demografische Problem abzuschwächen.

Sie können den Rasen mähen, Staub saugen oder den Boden wischen und Geschirr spülen

Inzwischen aber wächst eine neue Generation von Robotern heran: klein, wendig, mit jeder Menge Sensoren und Rechenleistung ausgestattet, bieten sie sich als unmittelbare Dienstleister für den Menschen an. Sie können den Rasen mähen, Staub saugen oder den Boden wischen und Geschirr spülen.

Sie sind in der Gesellschaft zumeist herzlich willkommen, weil sie nicht nur putzen, räumen oder tragen können, sondern künftig auch zum Unterhaltungs- oder gar Kommunikationspartner werden können. Das ist gerade in der Pflege gefragt.

In der immer älter werdenden Gesellschaft nimmt der Bedarf an Pflege und Betreuung zu. Gerade hier ist der Fachkräftemangel besonders eklatant. Einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge fehlen bis 2030 mehr als eine halbe Million Pflegekräfte. Fragt sich nur, ob Apparate à la Pepper die Lücke schließen können.

Auch im Supermarkt könnte Pepper zum Einsatz kommen. (Foto: United Robotics Group)

Hähn ist überzeugt, dass mithilfe von Service-Robotern ein gutes Stück der drohenden Dienstleistungslücken geschlossen werden können. "Das bringt zum Beispiel alten Menschen mehr Selbständigkeit und damit auch mehr Lebensqualität", sagt der erfahrene Manager, der Anfang der Neunzigerjahre mit einer Garagen-Firma startete, die mit den Jahren als Hahn Group zu einem weltweit agierenden Spezialisten für Automatisierungstechnik und Roboter aufstieg und 2014 mehrheitlich in dem Portfolio der RAG-Stiftung Beteiligungsgesellschaft (RSBG) aufging.

Mit der Bochumer United Robotics Group will Hähn jetzt an den Erfolg der Hahn Group anknüpfen. "Die Rahmenbedingungen dafür stimmen", sagt er. "Der Markt für professionelle Service-Roboter ist der aussichtsreichste Hoffnungsträger im gesamten Robotergeschäft."

Statistiken geben ihm recht. Laut Branchenverband IFR ist der Markt für Dienstleistungsroboter nach jüngsten Erhebungen mittlerweile schon fast sieben Milliarden Dollar schwer. Bis 2030 könnte er auf bis zu 170 Milliarden Dollar jährlich anwachsen und damit den Markt für Industrieroboter deutlich hinter sich lassen.

Noch gilt die Robotik-Branche, die sich mit den Jahren in viele Segmente aufgeteilt hat, als zersplittert. "Der Markt", glaubt Hähn, brauche dringend eine Konsolidierung. "Und genau dafür ist unsere Gruppe angetreten", sagt er selbstbewusst. "Wir haben uns auf den Weg zum europäischen Robotik-Champion gemacht."

Einen Beleg dafür lieferte die erst 2021 gegründete Gruppe unlängst mit der Übernahme des Pepper-Produzenten Aldebaran. Das französische Unternehmen gilt als ein Pionier bei der Entwicklung von interaktiven Service-Robotern. 2014 hatte der japanische Konzern Softbank Robotics Group das französische Start-up Aldebaran übernommen und danach in Softbank Robotics Europe umbenannt.

Für die Japaner war das damals nur ein wichtiger Moment, um zum weltweit führenden Roboterhersteller aufzusteigen. Später kauften sie unter anderem Google die schon legendäre Robotersparte Boston Dynamics ab. Doch die ehrgeizigen Träume von Konzerngründer Masayoshi Son erfüllten sich nicht. Nach verlustreichen Geschäften mit Kommunikations- und Spezial-Robotern stieß Softbank diese Segmente wieder ab und stellte auch die Produktion von Pepper ein. Jetzt aber soll für Pepper und seine französischen Erbauer alles anders werden. Die Softbank-Tochter aus Paris ging zu mehr als drei Vierteln an Hähns Bochumer URG. Die übrigen Anteile von knapp 25 Prozent halten weiterhin die Japaner. Die Franzosen wiederum erhalten nun ihren alten Namen Aldebaran und wenn man so will auch ihr bisheriges Hauptprodukt Pepper zurück.

Der Roboter Pepper soll in der Altenpflege helfen. (Foto: United Robotics Group)

Die URG wiederum ist mit der Pepper-Übernahme nun so breit aufgestellt wie kaum ein anderer Wettbewerber. Zur Gruppe gehören neben Aldebaran derzeit schon weitere sieben Unternehmen, darunter der von Amerika nach Deutschland geholte Roboterhersteller Rethink Robotics oder Software-Spezialisten wie die Kölner Humanizing.

Mit diesem Portfolio will die URG auf diversen Anwendungsgebieten vorankommen - von industrienahen Feldern wie der Life-Science-Industrie bis hin zu Dienstleistungsbereichen wie eben Hotellerie, Bewirtung oder Gesundheit und Pflege. Zu Aldebarans Einstand in der URG gehören dabei nicht nur Pepper und Nao, die nun leistungsmäßig aufgerüstet werden sollen, sondern mit Plato auch ein neuer sprachgesteuerter Mobilroboter, der zum Beispiel in der Gastronomie eingesetzt werden kann.

Was dem Roboter-Experten Hähn neben den funktionalen Details überaus wichtig ist, sind die mit den URG-Produkten verbundenen Datenschutzmaßnahmen. "Wir bieten unseren Kunden eine hundertprozentige Datensicherheit in unserer Technik und für die Personen im Umfeld der Roboter", sagt er. "Das unterscheidet uns von vielen Konkurrenten aus China oder Südostasien und wird mehr und mehr zum europäischen Wettbewerbsvorteil in unserer zunehmend digitalisierten Welt."

Hähn will in den nächsten Jahren mit der Gruppe durch internes Wachstum und weitere Übernahmen jeweils um 20 bis 25 Prozent wachsen. Insgesamt macht das Automations- und Robotik-Geschäft der Beteiligungsgesellschaft der RAG-Stiftung derzeit im Jahr etwa 350 Millionen Euro aus. Die United Robotics Group steuert dazu geschätzte 60 bis 65 Millionen Euro bei. Hähn ist sich sicher, dass sich die Gesamterlöse mit Automation und Robotik in den nächsten fünf bis sechs Jahren verdoppeln lassen und langfristig sogar Milliardenumsätze drin sind.

Das glaubt auch Bernd Tönjes, der Vorstandschef der RAG-Stiftung, der über ihre Beteiligungsgesellschaft auch Hähns Gruppe mehrheitlich gehört. Die Stiftung, die Jahr für Jahr für die Folgekosten des Steinkohlebergbaus aufkommen muss und allein dafür jährlich 300 Millionen Euro benötigt, hat sich mit der Robotertechnik ein weiteres Standbein aufgebaut.

Für den neuen Firmensitz und die Produktion der Roboter-Gruppe hat die RAG-Stiftung gerade Teile des alten Opel-Geländes in Bochum erworben. "Wir sind weg von Kohle und Stahl und investieren mehr und mehr in junge Hochtechnologie-Unternehmen", sagt Tönjes. "Weil wir hier nachhaltige Produktion und Produkte brauchen, die das Ruhrgebiet weiter verändern und immer stärker prägen werden - nur gut, dass wir jetzt noch mehr Roboterbauer bei uns haben."

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