Robert Menasse:Von Fehlern und Lügen

Wegen falscher Zitate ist der Autor Robert Menasse heftig kritisiert worden. In der SZ sprang ihm seine Schwester Eva bei. Leser sehen Menasses Umgang mit der Wahrheit sehr unterschiedlich, einer bezichtigt ihn offen der Lüge.

"Am Beispiel meines Bruders" und "Profil: Robert Menasse" vom 9. Januar:

Eine falsche Legende

Es ist sicherlich ehrenwert, wenn Eva Menasse zu dem "öffentlichen Umgang mit dem Fall" ihres Bruders Robert Menasse Stellung nimmt. Dahingestellt mag allerdings bleiben, ob dies auch klug war, insbesondere zu einem Zeitpunkt, nachdem dieser seinen Fehler eingestanden, sich hierfür entschuldigt, die Jury der Carl-Zuckmayer-Medaille ihre Wahl bekräftigt und schließlich die Ministerpräsidentin bestätigt hat, ihm die Medaille zu überreichen, sodass der Suhrkamp-Verlag diesen Fall zu Recht für erledigt erklären konnte.

Dass es historisch falsch ist, Walter Hallstein habe seine Antrittsrede als Präsident der EU-Kommission in Auschwitz gehalten, hat Heinrich August Winkler bereits im Oktober 2017 klargestellt. Richtig ist dagegen, dass Jean Monnet auf einer Wanderung in den Schweizer Bergen auf den Gedanken kam, die Gesamtheit der französisch-deutschen Kohle- und Stahlproduktion einer gemeinsamen hohen Behörde zu unterstellen, in einer Organisation, die den anderen europäischen Ländern offenstehen müsse. Der aus diesem Gedanken von ihm entwickelte Plan wurde am 9. Mai 1950 der Öffentlichkeit von dem französischen Außenminister Robert Schuman unter anderem mit den Worten vorgestellt, damit werde jeder Krieg zwischen Frankreich und Deutschland nicht nur undenkbar, sondern materiell unmöglich.

Damit wurde der Schuman-Plan, wie Schuman weiter erklärte, "der erste Grundstein einer europäischen Föderation, die zur Bewahrung des Friedens unerlässlich ist". Monnet selbst erinnerte hieran anlässlich der Verleihung des Aachener Karlspreises am 17. Mai 1953: "Durch die Schaffung Europas errichten die Europäer das wahre Fundament für den Frieden."

Erst jüngst hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor dem Europäischem Parlament diesen Ursprung der Europäischen Union betont. Es stellt schlichtweg eine Geschichtsfälschung dar, die Legende entstehen zu lassen, die Verhinderung eines weiteren Auschwitz sei für Jean Monnet auf seiner Wanderung in der Schweiz wie auch für die weitere Entwicklung der europäischen Einigung maßgebend gewesen.

Dr. Dieter Rabe, Freiburg

Unsägliche Beschwichtigungen

Robert Menasse ist ein Lügner. Karin Janker und Eva Menasse schreiben, er sei aber ein inbrünstiger Europäer und ein schlampiger Zitierer. Gut. Dann ist er eben ein inbrünstiger und schlampiger Lügner. Menasse hat seine Vorträge und Texte gefälscht, nicht weil er schlampig ist, sondern weil er seiner Ideologie von einem postnationalen Europa Nachdruck verleihen wollte. Seine eigene politische Autorität reichte dazu nicht aus. Also instrumentalisierte er einen anderen Europäer als Kronzeugen: Walter Hallstein. Nur, dass dessen Zitate gefälscht waren. Menasse hat sich dafür eine 4.0 auf der fünfstufigen Relotius-Skala verdient. Denn diese Fälschung ist ein Skandal, da sie in einer sensiblen politischen Diskussion das Wichtigste verrät, was die Vertreter einer liberalen Demokratie gegen den Rechtspopulismus vorzuweisen haben: ihre Integrität und Glaubwürdigkeit.

Insofern muss verstören, wie ein guter Teil der bürgerlichen Öffentlichkeit mit diesem Skandal umgeht. Die SZ fährt die Schwester (!) als Zeugin der Verteidigung auf, und Karin Janker sekundiert mit Relativierungen. Malu Dreyer will mit dem Kopf durch die Wand, indem sie einen Schwindler und Fälscher auch noch auszeichnet - jetzt erst recht! Was soll mit diesen unsäglichen Beschwichtigungen gerettet werden? Robert Menasse, die Europäische Union oder die Integrität der Demokraten?

Die Europäische Union wird die Menschen nur überzeugen, wenn die Versprechen ihrer Verträge, Strukturen, ihrer Institutionen und ihrer Politiker glaubwürdig sind und verlässlich umgesetzt werden. Daran gibt es seit einigen Jahren massive Zweifel. Robert Menasse hat Europa einen Bärendienst erwiesen, indem er das Geschäft der Rechtspopulisten betrieben hat. Damit hat er sich selbst nachhaltig diskreditiert.

Prof. Hans-Jürgen von Wensierski, Rostock

Er hat sich entschuldigt

Vielen Dank an die Süddeutsche Zeitung für die Veröffentlichung des Gastbeitrags von Eva Menasse zugunsten ihres Bruders Robert. Schon bei oberflächlicher Kenntnis des Falles ist mir schleierhaft, wie man hier von "Betrug" oder "Fälschung" sprechen kann. Robert Menasses Stellungnahme in der FAZ ist klug, differenziert und glaubwürdig. Er hat sich für einen Fehler entschuldigt, der vielen von uns passieren könnte und weder sein Werk noch sein Anliegen substanziell beschädigt.

Petra Morsbach, Autorin, Starnberg

Überzogene Aufregung

Man kann Eva Menasse zu ihrem Beitrag nur gratulieren; was sie sagt, ist absolut richtig. Es zeugt von einem völlig überzogenen Willen, sich aufzuregen, wenn man Robert Menasse eines verfälschten Zitates wegen angreift. Man hat den Eindruck, unsere intellektuelle Welt werde von Halbweisen bestimmt.

Ingo Quak, Werne

Beitrag zur Aufklärung

Die Kritik an Robert Menasse ist, abstrakt betrachtet, durchaus nachvollziehbar. Bei genauerem und weniger aufgeregtem Hinsehen, nicht zuletzt nach Menasses Antwort auf das vermeintliche Zitate-Skandalon und seiner hiernach glaubhaften öffentlichen Entschuldigung, sollte allerdings der wirklich wichtigen Intention des österreichischen Schriftstellers - der nachdrücklichen Hervorhebung der europäischen Idee und der unabdingbaren Notwendigkeit einer integrativen Fortführung - wieder mehr Raum gegeben werden. Die Nichtvergabe der Carl-Zuckmayer-Medaille an Robert Menasse wäre ein großer Fehler und falscher Fingerzeig gewesen. Überdies hat die (bislang ungleichgewichtige) Diskussion um historische Fakten und literarische Adaptionen freilich auch definitiv etwas Gutes, trägt sie doch zur geschichtlichen Aufklärung und Einordnung bei.

Matthias Bartsch, Lichtenau-Herbram

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