Rezo-Video:Strittiger Beitrag zur politischen Debatte

Lesezeit: 3 min

Ein Influencer macht Politik: Mehr als zehn Millionen Mal wurde das CDU-Video des Youtubers Rezo angeklickt. Er kritisiert die Partei- und Regierungsarbeit, nicht immer in gutem Ton. SZ-Leser haben eine geteilte Meinung dazu.

Per Video: Youtuber Rezo kritisiert harsch die Politik der CDU – und viele Millionen Menschen klicken es an. Dies hat eine Debatte um angemessene politische Diskussion ausgelöst. (Foto: Getty Images)

Zum Artikel "Zuhören statt zerstören" und zum Kommentar "Jung und ungemütlich" vom 24. Mai:

Jugend soll genau so kritisch sein

Ich kenne kaum Politiker, die, wenn sie den Mund aufmachen, ausgewogen, alle Positionen beleuchtend, fakten- und kenntnisreich die Wahrheit und nichts als die Wahrheit von sich geben. Nun geht einem jungen Mann (endlich) der Hut hoch, und schon geht die ganze Diskussion nur darum, ob seine Aussagen oder Beispiele zu hundert Prozent zutreffen oder nicht, beziehungsweise reibt man sich an der sicher sehr polemischen Überschrift. Er spricht aber viele zentrale und wichtige Themen auf eine für mich wirklich erfrischende Art und Weise an, die vielleicht auch gerade dadurch viele Jugendliche erreicht. Es gibt erkennbar kein Thema, bei dem er in der zentralen Aussage (!) etwas Falsches sagt. Es hat schon eine Logik, wenn die Politik (und leider auch viele Medien) versuchen, diese Störung des bekannten "alternativlosen" Betriebes durch den Nachweis von einzelnen Fehlern - die es natürlich gibt, die aber in der Regel die jeweilige zentrale Aussage nicht in Frage stellt - komplett diskreditieren zu können, damit man ungestört wieder zur "alternativlosen" Tagesordnung übergehen kann.

Ich wünsche dieser Jugend mit meinen 67 Jahren Mut und Aufgewecktheit, die etablierte Politik zu hinterfragen und kritisch anzugehen. Ist es nicht das, was alle Parteien in Sonntagsreden sich wünschen - eine kritische und engagierte Jugend? Oder gilt das nur, wenn sie "mainstream" ist?

Christopher Bodirsky, Hannover

Folgen für die Parteien

Das neue Phänomen ist nicht, dass sich junge Leute politisch engagieren, gerne auch mal polemisch. Das gab es schon immer, ich bin mit 17 Jahren auch auf die Straße gegangen, damals gegen das bürgerliche Establishment, in der Uni später gegen den Muff von 1000 Jahren usw. Das Phänomen sind die (a-)sozialen Medien, die solche Äußerungen so stark verbreiten, aber auch die fast schon anbiedernde Berichterstattung darüber in vielen (Print-)Medien. Ich wünschte mir, die SZ würde sich mehr mit diesem Phänomen auseinandersetzen und den Folgen für den demokratischen Prozess, der leider immer etwas mühsam ist, und den Konsequenzen für die politische Landschaft.

Sabine Geissler, München

Der Mann hat recht

Die Autorin des Kommentars zum Rezo-Video hat recht, die Politik lebt von Kompromissen, aber nicht von faulen Kompromissen. Es wäre gut gewesen, wenn Constanze von Bullion wenigstens mit ein oder zwei Beispielen belegt hätte, wo ihrer Meinung nach der junge Mann ungenau oder verzerrend war, denn das hätte ein so leidenschaftlicher Appell verdient. Werden von Rammstein aus also nicht Menschenrechtsverletzungen begangen und werden sie nicht seit Jahr und Tag schöngeredet? Oder offenbaren manche Politiker nicht eine erschreckende Ignoranz in ihrem Fachgebiet, ich erinnere nur an den im Video gar nicht erwähnten Verkehrsminister, der ungeprüft Aussagen von selbsternannten Fachleuten übernahm? Oder ist die Klimapolitik der Koalition nicht nur ein Kompromiss, sondern ein fauler Kompromiss? Also bitte, der Mann hat recht, was soll die Nörgelei?

Ulrike Capezzone, Geretsried

Demokratie muss sich wandeln

Es ist faszinierend zu verfolgen, wie die Demokratie ausgehöhlt und überholt wird von den in Nanosekunden schnellen, Massen mobilisierenden sozialen Medien im Internet! Da plappert auf Youtube ein bunt gefärbter Influencer! Rezo bringt "halb gare" Politphrasen ohne praktikable, bezahlbare Lösungen im Internet, und schon klicken Millionen dies an und die Medien überschlagen sich dazu!

Da wird eine schwedische Greta hochgepuscht wegen nicht neuer Klimaprobleme, obwohl auch sie nicht hinweist auf die Hauptursache der explodierenden Weltüberbevölkerung, und dass diese ganz einfach wir alle zusätzlich bezahlen müssen beziehungsweise dass dies unser aller Wohlstand kostet. Da sinkt die Arbeitsqualität in den westlichen Industrienationen, da Massen Internetsüchtiger ununterbrochen auf ihr Smartphone gucken müssen. Da manipulieren Staaten wie Russland und China und sogar bis heute der IS unsere öffentliche Meinung über das Internet. Wenn unsere Demokratien sich nicht grundlegend wandeln, muss man befürchten, dass am Ende des Tages nur gelenkte Staatsformen wie in China Erfolg haben!

Dr. Joachim Schimmelpfennig, Frechen

Polemik gegen Andersdenkende

Der Artikel überzeugt mich nicht. Ich rechne damit, dass Sie mich für meinen Beitrag loben - schließlich motivieren Sie ja nicht nur Linkspopulisten, sondern junge Menschen als solche. Ein allgemeiner Unterschied zwischen rechten und linken Scharfmachern lässt sich nicht ausmachen. Beide Seiten geben vor, sich für Meinungsfreiheit einzusetzen, zum Nachdenken anzuregen und damit letztlich die Demokratie zu fördern. In Wahrheit geht es aber nur darum, alle Andersdenkenden aus dem politischen Diskurs zu entfernen. Dafür ist jede Polemik und jede Unsachlichkeit genehm. Jeder Mensch, der nicht in das eigene Weltbild passt, wird diskreditiert und ausgegrenzt - sei es aufgrund der Hautfarbe oder der Weltanschauung. Das trifft vor allem Minderheiten. Man spricht gerne von Katastrophen ("Flüchtlings-", "Klima-"), während die Gegenseite ein Problem völlig leugnet. Man ist totalitär; es gibt nur eine legitime Einstellung. Beide Seiten hetzen gegen das System, das von bösen Menschen (Politikern, Lobbyisten) durchsetzt ist und dringend einer Säuberung bedarf. Wesentlicher Unterschied ist, dass sich die Linken noch für besonders moralisch halten.

Johannes Forck, Freiburg

© SZ vom 31.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: