Rentensystem:Streit um zweierlei Maß

Es hat schon viele Versuche gegeben, das deutsche Rentensystem zu reformieren. Auch die Besserstellung von Beamten im Ruhestand im Vergleich zu Angestellten wird oft moniert. Aber wäre der Staat sonst als Arbeitgeber noch konkurrenzfähig?

Streit um Grundrente

Spaziergang zu viert: Wer sich im Alter nicht finanziell sorgen muss, hat meist mehr Muße, den Ruhestand zu genießen.

(Foto: Patrick Seeger/dpa)

Zu "Die Grundrente: Murks" vom 8./9. Februar, "Lernen von Österreich", 28. Januar und "Rentners Traum", 25./26. Januar:

Staat muss konkurrenzfähig sein

Die Diskussion über die Einführung der gesetzlichen Rente für Beamte halte ich für sehr kurzsichtig. Wer will qualifizierte Leute als Lehrer gewinnen, wenn einerseits die Anforderungen (Ganztagsbetreuung, Inklusion, Immigration, Digitalisierung) immer weiter steigen und andererseits auch noch Privilegien gestrichen werden. Lehrermangel und Bildungsrückstand sind aber gesamtwirtschaftlich tausendmal teurer, als es die beste Bezahlung und die höchsten Pensionen wären. Auch in der Juristerei würde niemand in den Staatsdienst gehen, wenn der einzige Unterschied zur Privatwirtschaft das etwa zwei Drittel niedrigere Einkommen wäre - das heißt, wollte man alle Privilegien in diesem Bereich abschaffen, müsste man Gehälter zahlen wie internationale Großkanzleien.

Zusammengefasst: Da der Staat als Arbeitgeber mit höheren Gehältern in der Privatwirtschaft konkurriert und das Angebot an qualifizierten Kräften stetig sinkt (ob der demografischen Entwicklung), muss es weiterhin anderweitige Anreize geben, wenn zentrale Aufgaben wie Justiz und Bildung von fähigen Leuten in ausreichender Zahl erledigt werden sollen.

Dr. Valentin Spernath, Bamberg

Beamte ändern Privilegien nicht

Mit dem Interview "Rentners Traum" mit Bert Rürup und dem Kommentar trifft Hendrik Munsberg einen wunden Punkt, nämlich die extreme Ungleichheit beziehungsweise Ungerechtigkeit unserer Alterssicherung in zwei unterschiedlichen Systemen: Renten und Pensionen. Als Rentner und Sohn eines Beamten kenne ich beide Altersversorgungssysteme bestens.

Wie soll es aber nun gehen, mehr Gerechtigkeit ins System zu bringen? Solange die Beamten im Bund und den Ländern unsere Gesetze formulieren und die "beamteten" Richter diese Gesetze auslegen, wird sich meines Erachtens nichts ändern, wird sich auch nichts ändern können. Von der Groko ist hier - weil selbst "beamtlich unterwandert" - nichts zu erwarten.

Ein Handicap haben wir zudem gegenüber den vorbildlichen Österreichern. Die deutsche Einheit hat die Rentenkasse durchaus belastet; denn die Bürger aus den neuen Ländern haben bis 1990 keinen Pfennig in unsere Rente einbezahlt, aber sofort Renten aus dem allgemeinen Rententopf erhalten. Damit es hier keine Missverständnisse und Fehldeutungen gibt: Dies war absolut richtig, müsste aber von der Gemeinschaft der Steuerzahler voll ausgeglichen werden, nicht von den (West-)Rentnern. Der deutsche Souverän (also der Bundestag) muss selbst eindeutige Gesetzesvorgaben zur Beendigung des Zweiklassenrechts bei den Altersversorgungssystemen formulieren - und dann auch umsetzen.

Heinbert Janze, München

Selbständige stützen das System

Grob geschätzt dürfte in Deutschland etwa jeder zwanzigste Erwerbstätige Beamter sein. Selbst die sofortige Beseitigung aller vermeintlichen Privilegien der Beamten hätte deshalb kaum einen messbaren Einfluss auf die Situation der Rentner. Die Selbständigen, soweit sie nicht ohnehin freiwillig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, müssen sich zu 100 Prozent privat versichern und kosten die Solidargemeinschaft erst einmal gar nichts. Soweit Selbständige über ein höheres Einkommen verfügen, tragen sie schon jetzt ganz erheblich zur Finanzierung der Renten bei. Denn der Beitrag der höheren Einkommen zur Finanzierung des Staatshaushalts, und damit auch des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung, ist ja bekanntlich weit überproportional. Ja, aber die Arbeitgeber? Denen kann man natürlich einen höheren Beitrag zur Rentenversicherung abverlangen. Das ist aber nur theoretisch etwas anderes als der Arbeitnehmerbeitrag. Der Unternehmer nimmt sie nicht aus seiner privaten Schatztruhe. Wie alle Lohnzusatzkosten müssen die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung mit der laufenden Geschäftstätigkeit erwirtschaftet werden.

Wer das Interview mit Herrn Rürup aufmerksam gelesen hat, konnte als Kernaussage mitnehmen, dass Österreich sich ein besonders komfortables, aber eben auch ein besonders teures Rentensystem gönnt. Ob man das nachahmen möchte, sollte offen diskutiert werden. Aber man sollte den Leuten auch reinen Wein einschenken: Höhere Renten werden auf die eine oder andere Art vor allem sie selbst, ihre Kinder und Enkel bezahlen.

Axel Lehmann, München

Unterschiedliche Fristen

Ein Grund für die 40 Prozent höheren Rentenbezüge in Österreich ist: Während in Deutschland ein Anspruch auf Rente nach fünf Jahren Beitragszahlung besteht, müssen Erwerbstätige in Österreich mindestens 15 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben, um anspruchsberechtigt zu sein. Österreichische Pensionisten mit langjährigem Erwerbsleben profitieren von denen, die die 15 Jahre Beitragszahlung nicht "schaffen". Soziale Gerechtigkeit sieht anders aus.

Katharina Möller, Bimbach

Auskömmliche Rente für Mütter

"Wer sein Leben lang gearbeitet und in die Rentenkasse eingezahlt hat ...". Herr Beise meint im Kommentar "Murks" die Erwerbsarbeit. Mütter haben in der Kleinkinderphase rund um die Uhr gearbeitet, wenn auch nicht in Erwerbsarbeit. Sie haben die Rentenzahlerinnen und Rentenzahler in die Welt gesetzt und zu Erwerbsarbeit oder Muttersein überhaupt erst befähigt. Das nicht so zu sehen, ist doch Murks und eklatant benachteiligend. Das macht mich wütend!

Gisela Lässig, München

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: