Reichensteuer:Geld besser verteilen - aber wie?

Die Initiative ,,Tax me now" von Millionären, die bereit sind, mehr Steuern zu zahlen, stößt bei Leserinnen und Lesern auf geteiltes Echo.

Reichensteuer: Zeichnung: Michael Holtschulte

Zeichnung: Michael Holtschulte

Zu "Luxusprobleme" vom 12./13. Juni:

Nur freiwillig, aber kein Zwang

Schön, dass einige Millionäre gerne was abgeben wollen. Noch schöner, wenn dieses Vorhaben Nachahmer finden würde. Eine Reichensteuer und andere Zwangsabgaben benötigen wir nicht. Freiwillig, gerne, von Herzen und mit einem guten Gefühl. Das passt doch!

Stefan Herb, Roding

Einstellungen ändern sich

Man könnte es als Sinnkrise der reichen Nachkommen bezeichnen, oder sagen, "die Revolution frisst ihre eigenen Kinder", die "Tax-me-now"-Unterzeichner scheinen von ihrem eigenen Tun jedenfalls teilweise selber überrascht zu sein, sind noch verhalten, wie die persönlichen Konsequenzen auf diesen Schritt hin tatsächlich aussehen können. Packt die Nachkommen der Superreichen, am monetären Peak angelangt, nun das ökologisch-ökonomisch-soziale Gewissen?

Es ist diesen Menschen nach dem zehnten Luxusauto, Feriendomizilen in aller Herren Länder, Privatflugzeug und Superyacht, bestenfalls noch nach einer Stiftung, in die man große finanzielle Summen transferiert hat und sich "gemeinnützig" zeigt, eigentlich kaum abzunehmen, dass sie diesen Schritt aus reinem Gerechtigkeitsempfinden heraus tun. Ja, es klingt fast nach einem Hilfeschrei, befreit mich aus den Zwängen meines Besitzes und Reichtums. Aber ich glaube, diese Generation der Reichen denkt tatsächlich über die Verantwortung und vielleicht auch die Bürde nach, den Reichtum und Besitz mit sich bringen.

Was so einfach klingt und Finanzminister ja eigentlich freuen sollte, dass sich Reiche stärker besteuern lassen wollen, ist es dann wohl aber nicht. Vermutlich ist der Zugriff des Fiskus, wie sich an den Firmen Google und Amazon trefflich zeigt, trotz Absichtsbekundung der Milliardäre weniger einfach, als dem großen Teil der Bevölkerung, der keine Steueroasen und Steuerberater nutzt, das Geld mal eben, zur Not unter Strafandrohung, aus der Tasche zu ziehen.

Der Staat duckt sich meines Erachtens vor der Macht der Reichen und der Konzerne weg, eine höhere Besteuerung wurde oft verschoben, frei nach dem Motto der Liberalen, "Leistung muss sich lohnen" beziehungsweise dem Gedanken, es wäre falsch, die Leistungsträger der Gesellschaft stärker zur Kasse zu bitten. Zu groß ist offenbar die Angst, es sich mit den (finanziell) Mächtigen dieser Welt zu verscherzen.

Das Credo der Liberalen und großer Teile der CDU/CSU zementiert ungerechte Eigentumsverhältnisse, da der Wohlstand oft gar nicht mehr von den Besitzern in Eigenleistung erwirtschaftet wurde. Die Zeichen der Zeit scheinen sich zu ändern, hoffentlich auch die Einstellung der verantwortlichen Finanz- und Wirtschaftsminister und des oder der zukünftigen Kanzler(in).

Oliver Schulze, Detmold

Spaltung der Gesellschaft droht

Es ist das immer noch nicht genügend in den Fokus (der Medien und der Parteien) geratene Kernproblem unserer Gesellschaft und unserer Demokratie: die Ungleichverteilung der Vermögen. Die "Anamnese" dieser Ungleichheit ist tatsächlich "desaströs". Deutschland liegt im internationalen Vergleich der Medianwerte der Vermögen pro Erwachsenem weit abgeschlagen und auch weit hinter den USA (Quelle: The Global Wealth Report 2019).

Die Menschen in der unteren Hälfte der Vermögensverteilung verfügen über ein Nettovermögen von 3682 Euro (Quelle: DIW Wochenbericht, 29/ 2020). Diese Menschen (die Hälfte unserer Bevölkerung) haben keine finanziellen Reserven und stehen mit dem Rücken an der Wand. Diese Situation wird zunehmend die Gesellschaft spalten und rechtsextreme Strömungen stärken.

Eine längst überfällige Einführung einer Steuerreform, die Schluss macht mit einer hohen, progressiven Besteuerung der Arbeit und dafür Kapitalerträge progressiv höher besteuert als Arbeit, ist offenbar kein Thema im Wahlkampf. Eine progressive Erbschaftsteuer bei weiterhin hohen Freibeträgen und die Einführung einer Vermögensteuer werden wahrscheinlich nicht durchsetzbar sein.

Die Entwicklung der Bruttolöhne sollte der langfristigen Entwicklung der Produktivität (=BIP pro Erwerbstätigen) folgen. Iststand: Seit 1991 ist die Produktivität mehr als 50 Prozent stärker als die Bruttolöhne gestiegen (Quelle: Statistisches Bundesamt). Der durchschnittliche Zahlbetrag der gesetzlichen Rente liegt bei 918 Euro (2019), die Rente netto vor Steuern nach 45 Beitragsjahren mit durchschnittlichem Bruttogehalt liegt bei 1327 Euro. Kein Rentenexperte jedoch schlägt vor, zum Beispiel den Anteil der gesetzlichen Rente am BIP von ca. 9,5 Prozent auf 11,5 Prozent zu erhöhen. Alle diese Maßnahmen würden die Ungleichheit abmildern.

Was ist los mit unserer Demokratie? Ist ein politisches System, in dem ein Promille der Bevölkerung über circa vier Billionen Euro verfügt, überhaupt demokratisch stabil? Lassen sich im Bundestag überhaupt noch Gesetze zur Abmilderung der Ungleichheit durchsetzen, oder verlassen dann die superreichen Familien Deutschland? Sonja Zekri schreibt: "Das alles wird, wenn sich nichts ändert, sogar schlimmer, prognostizieren Elitenforscher, Wirtschaftswissenschaftler und Soziologen." Ist ein System mit fortschreitender Konzentration des Vermögens wirtschaftlich optimal und stabil? Mit Sicherheit nicht, warum schweigen dann die Wähler?

Dr. Lothar Sowa, Rohrenfels

Für Steuergerechtigkeit sorgen

International besteht Konsens, dass Steuerreformen notwendig sind, wie das letzte G-7-Treffen und Stellungnahmen internationaler Organisationen zeigen. In Deutschland mehren sich Initiativen (zum Beispiel Netzwerk Steuergerechtigkeit, offener Brief "Reichtum umverteilen"). Denn zunehmende Ungleichheit ist nicht nur ethisch und sozial inakzeptabel, sondern letztlich demokratiegefährdend.

Vor diesem Hintergrund ist die Initiative der Millionärinnen und Millionäre ernster zu nehmen, als es der Artikel von Sonja Zekri zunächst vermuten lässt. Wie das Medienecho zeigt, ist die politische Relevanz des Appells #taxmenow durchaus angekommen.

Susanne Kraatz, Iserlohn

Stiften statt besteuern

Sie drucken einen Appell von Multimillionären ab, der an Opportunismus kaum zu überbieten ist. Da fordern "Millionäre" die zusätzliche Besteuerung. Und es sind Multimillionäre, die allesamt nur geerbt und nichts selbst beigetragen haben. Nehme man zum Beispiel Antonis Schwarz, den Großspender der Grünen! Er hat jeden Euro, 18 Jahre alt, geerbt. Was hindert ihn, mit dem geerbten Geld Gutes zu tun? Soll er doch an afrikanische Hilfsprojekte spenden. Oder im Stadtteil Hasenbergl Geld verteilen. Es gibt endlose Möglichkeiten, mit Geld zu helfen. Auf eigene Initiative. Wozu braucht er den Staat, um höher besteuert zu werden? Sein Onkel Patrik Schwarz-Schütte braucht den Staat nicht. Er hat in Düsseldorf einen Lehrstuhl gestiftet und das "Ökonomikum" (Hörsäle) an der Heinrich-Heine-Universität bauen lassen. Er ist einer der Mäzene der Stadt. Schwarz-Schütte redet nicht, er handelt.

Jedem Multimillionär kann man nur zurufen: Tut etwas (wie Bill und Melinda Gates). Ohne Eitelkeit. Ohne Messingplakette am Stiftungsobjekt. Euer Geld habt ihr von den Bürgern. Gebt es uneitel an die Gesellschaft zurück. Euer materielles Glück ist unverdient. Sorgt für Glück bei den Menschen, die es dringend brauchen. Es bleibt für euch immer noch genug übrig. Bevor der breiten Gesellschaft mit einer Substanzbesteuerung in die Reserven gegriffen wird, wäre eine partielle Enteignung der Superreichen naheliegender. Dann bin ich auch für eine Vermögensteuer. 100 Prozent für Vermögen über 30 Millionen. Wie wäre das, Herr Schwarz? Immer noch für die Vermögensteuer?

Clemens Jahn, Meerbusch

Respekt vor jungen Millionären

Ich danke für die große Aufmachung und die Darstellung der "desaströsen" sozialen Ungleichheit in Deutschland. Im Rest des Artikels werden dann diejenigen kritisiert, die sich einen Kopf über die Lage machen und sich entsprechend ihren Möglichkeiten engagieren. Schade. Niemand ist perfekt, keine Lösung ist perfekt - aber nur meckern? Was sind denn die Vorschläge der Autorin? Die, und etwas Respekt für die mutigen jungen Leute fehlen mir in dem Artikel.

Ise Bosch, Hamburg

Geld nicht dem Staat überlassen

Hier wird erneut deutlich, dass es vielen in diesem Land viel zu gut geht, was offensichtlich das logische Denken außer Kraft setzt. Sicher, es ist lobenswert, wenn Reiche darüber nachdenken, ob sie nicht von ihrem Reichtum - oft nicht selbst erarbeitet - etwas an vom Schicksal weniger Begünstigte abgeben sollten. Hierzu gibt es unzählige, seriöse Möglichkeiten. Aber den nimmersatten Staat, der uns alle schon jetzt mit dem welthöchsten und kompliziertesten Steuersystem quält, und gerade in letzter Zeit erneut bewiesen hat, dass er mit Geld nicht vernünftig umgehen kann, aufzufordern, noch mehr abzuschöpfen, ist fast schon pervers.

Dr. Claus Helbig, München

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