Rehjagd:Zwischen Waldschutz und Tierwohl

Ja - das wissen kundige Leser -, in der Forstwirtschaft wurden und werden Fehler gemacht. Die sollten jetzt aber intensiv ausgebügelt werden - nur bitte ohne den Gegner zu verunglimpfen.

Rehjagd: SZ-Zeichnung: Karin Mihm

SZ-Zeichnung: Karin Mihm

Zu "Frei zum Abschuss" vom 23./24. November:

Aus Jägern wurden Krieger

Als ehemaliger langjähriger Jäger (über 50 Jahresjagdscheine) mit Jägerprüfung in Bayern (Schwabmünchen bei Augsburg) spricht mir der Tenor dieses kritischen, aber dennoch objektiven Beitrags aus dem Herzen. Das Motto "Wald vor Wild", die Verunglimpfung allen Schalenwildes als Waldschädlinge, die Abwendung von der waidgerechten Bewegungsjagd (früher auch Wald- oder Drückjagd) hin zur "Waldschutzjagd" oder "Paarhufer-Regulierungsjagd" und das herzlose Abknallen des Mutterwildes bei Gams, Hirsch, Wildschwein oder Reh hat mich dazu bewogen, vor fünf Jahren die Jagd aufzugeben. Was mir als passioniertem Jäger, geprüftem Jagdaufseher, Jagdpächter, Hundeführer sowie jagdlichem Buchautor nicht leichtgefallen ist. Aber mit den (überwiegend) heutigen Jägern, die man in ihren bedrohlichen Camouflage-Anzügen nur als "Waldkrieger" bezeichnen kann, wollte ich nicht mehr in Verbindung gebracht werden und bin deshalb Mitglied im Verein "Wildes Bayern" geworden.

Wolfram Martin, Bad Berleburg

Gezielte Verunglimpfung

Jagd ist mit dem Töten von Tieren verbunden. Das Töten von Tieren ist jedoch noch nie so unpopulär gewesen wie heute. Mit rührseligen Geschichten um misshandelte Wildtiere versuchen die Mitglieder einer sich "Naturschutzverein Wildes Bayern" bezeichnenden Gruppe, die breiten Massen tierliebender Bürger für sich einzunehmen. Mit der Nacherzählung schauriger Szenen von angeblich durch Fehlabschüsse zu Tode gekommenen Rehen dienert sich die SZ dieser Kampagne an. Ziel ist es, dem Leser nur das eine zu suggerieren: Wer Rehe schießt, um dem Wald zu helfen, ist ein Tierquäler. Von der gleichen Absicht, der gezielten Verunglimpfung von Jägern, die aus Verantwortung für die künftige Waldentwicklung die gesetzlich vorgeschriebenen Abschussvorgaben erfüllen, künden die abscheulichen Vignetten mit Abbildungen von Rehen, die einen Schuss in die Keulen, in die Eingeweide oder auf den Vorlauf erhalten haben.

Karl Heinrich Knörr, Walpertskirchen

Drückjagden verbieten

Dem Reh, anmutigstes Wildtier in Deutschlands Wald und Flur, als Gold-Bambi hochbegehrte Auszeichnung bei Gala-Empfängen, geht es nicht gut in bayerischen Forsten. Es wird von Förstern und Waldbesitzern erbarmungslos bekämpft und totgeschossen, weil es nicht nur Gras und Kräuter äse, sondern auch Triebe junger Bäume anknabbere und verbeiße. Deshalb seien Rehe besondere Schädlinge, die den Wald kaputt machen.

Bei dieser Totalbeschuldigung des Rehwildes wird gern vergessen, dass die Forstpolitiker selbst den Wald in Bayern am meisten beschädigten, als man die gesunden Laubmischwälder vor nicht allzulanger Zeit durch raschwüchsige Fichtenplantagen auswechselte, von denen man sich schnelle Holzgewinne erhoffte. Die von Windbruch gefährdeten dünnen Fichten fielen jedoch bei ersten stärkeren Stürmen in großer Anzahl wie Mikadostäbe um. Auf den Brachflächen wachsen oft schon viele Jungbäume durch natürlichen Samenflug nach. Namhafte Personen wie Herzog Albrecht von Bayern haben nachgewiesen, dass bei ausreichender Herbst-und Winterfütterung oder durch kleine Wildäcker Verbissschäden weitgehend vermieden werden können. Die Methode, Plastikclips an den Leittrieben der Jungbäume anzubringen, könnte auch ein probates Mittel zur Abschreckung sein, wenn sonst ausreichend Nahrung da ist.

Förster wollen eher einen "waldverträglichen" Rehbestand, was auf einen Totalabschuss hinauslaufen kann. Wer will das denn? Nicht einmal der Bund Naturschutz, der das Reh sinnigerweise als willkommene Nahrung für den Luchs benötigt. Drückjagden auf Rehe sind zu verbieten, weil sie bei der springenden Bewegung ungenaue Schüsse bewirken und verletzten Tieren qualvolles Leid zu ersparen ist.

Dr. Wolfgang Quint, München

Forstliche Fehler ausbügeln

Kein Zweifel, Jagd muss tierschutzgerecht durchgeführt werden, ob per Drückjagd oder Einzeljagd. Aber Fehler passieren. Als Nachsuchen-Hundeführer erlebte ich dies sehr häufig bei Einzeljagden. Richtig gruselig wird's aber dann, wenn ich an die Aufzucht, den Transport und die Schlachtungen von Millionen Zuchttieren denke. Die §§ 1 und 17 Tierschutzgesetz verbieten das Töten ohne vernünftigen Grund. Ist denn nur die Fleischnutzung vernünftig, oder ist es nicht ethisch sinnvoll, auch von zu vielen Rehen so viel der freien Wildbahn zu entnehmen, damit dringend benötigte klimaresistente Wälder für den Schutz des Menschen entstehen können? Zusätzlich zeigt die Rehwildpopulation dann mit höheren Körpergewichten an, dass sie vorher gehungert hat: Das ist Tierschutz! Und auch der "skurrile" Regenwurm hat sein Existenzrecht. Seine Funktion ist nach heutigen Erkenntnissen wichtiger als die vom Schalenwild. Fachlich müssen wir festhalten: Ja, es wurden früher aufgrund fehlenden Wissens forstliche Fehler gemacht. Die gilt es jetzt intensiv auszubügeln. Aber nicht mit Meckern am Forstlichen Vegetationsgutachten. Sollte man nicht abschaffen, sondern optimieren, damit die Pflanzen unter 20 Zentimetern Höhe auch erfasst werden. Dann lässt sich noch besser der Baumarten-Entmischungseffekt durch Schalenwild nachweisen. Und es stimmt nicht, dass 50 Jahre Abschuss-Erhöhungen keinen Erfolg gebracht hätten. Regional und punktuell sind fantastische Mischwälder entstanden. Denn auch die verniedlichten Kosten der Anwendung von Plastikclips würden mit Verzinsung bei zirka 1000 Tannen pro Hektar nur mit einer jährliche Pachteinnahme von rund 100 Euro pro Hektar kompensierbar sein.

Und bitte, bei allen konträren Meinungen: keine Polemik und Diffamierungen! In Weihenstephan gab es keine Gehirnwäsche und auch die wildfeindlichen Sprüche sind und waren Verunglimpfungen von denen, die die Jagdlehre auf wissenschaftlicher Basis als Bedrohung gesehen haben.

Prof. i.R. Dr. Christian Mettin, Prittlbach

Wir müssen uns entscheiden

Selbstverständlich ist es jedem erlaubt, seine Meinung zum Thema Wald und Wild zu haben. Was aber nicht passieren sollte, sind Unterstellungen. Wenn zum Beispiel das "Strecke legen" nach einem langen Jagdtag als erstrebenswert dargestellt wird, dann ist das nicht mehr zeitgemäß. Mir ist es aus hygienischen Gründen lieber, wenn das erlegte Wild möglichst schnell in eine Kühlkammer kommt. Wenn ein Betrieb seine frischgeschlachteten Hähnchen noch einmal auf Fichtenreisig legen würde, dann wäre das vermutlich das Ende seiner Betriebserlaubnis.

Richtig ist, dass auch in der Forstwirtschaft Fehler gemacht wurden und wahrscheinlich gemacht werden. Der Klimawandel zwingt aber zur Abkehr von einer einseitig wirtschaftlichen Ausrichtung der Waldbehandlung. Die notwendigen Pflanzungen sind und werden sehr teuer werden und leider sind die geeigneten Baumarten sehr beliebt bei Reh und Hirsch. Wir werden uns entscheiden müssen, ob wir alle Kulturen mit immensen Kosten schützen wollen oder nicht. Mit "Milchmädchenrechnungen" über den Einsatz von Einzelschutz ist es dann aber nicht getan. Denn die Clips muss auch noch jemand über die Knospen stülpen und das jedes Jahr neu. Zahlen muss das vermutlich der Steuerzahler.

Stefan Bauernfeind, Thaining

Eine Frage der Kosten

Es ist eines der rätselhaftesten Mysterien unserer Zeit, warum so viele Menschen nicht verstehen wollen, dass das ökologische Gleichgewicht eines Waldes so lange nicht in Ordnung ist, wie er sich nicht ohne fremdes Zutun mittels Plastikclips, Kuhscheiße oder sonstiger Geheimmittelchen angemessen verjüngt. Natürlich ist das kein Grund, Anfang Mai eine "hochschwangere" Rehgeiß zu schießen. Das gilt auch in meiner in einschlägigen Waidmannskreisen wohl eher berüchtigten als berühmten Familie als Sauerei. Wenn ein Plastikclip 13 Cent kostet, muss Herr Demmelhuber für seine zirka 53 Hektar Wald erst mal mindestens 200 Clips pro Hektar kaufen, um seine Bäume flächendeckend schützen zu können. Da sind wir bei knapp 1400 Euro, ohne dass die Clips an den Bäumen wären, da wird es erst richtig teuer, selbst wenn man es beim "Durchgehen" macht. Kein Pappenstiel, wenn man mit Wald Geld verdienen will. Da schießt man lieber ein paar Rehe, das ist billiger und schmeckt besser. Nachhaltige Naturnutzung gegen Massentierhaltung und so. Niemand will irgendwelche Wildarten ausrotten, aber solange der Wald sich nicht wie früher üblich von selbst hinreichend verjüngt, besteht der begründete Verdacht, dass das ökologische Gleichgewicht nicht gegeben ist. Und: Es gab wohl nie so viel Rehe in Deutschland, wie heute.

Julius Frhr. v. Rotenhan, Birkenfeld

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