Rechtsextremismus:Lange Geschichte

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Warum war die Existenz der rechtsextremistischen Terrorgruppe "Revolution Chemnitz" eine so große Überraschung? Das fragt ein Leser und zählt Fälle von Rechtsextremismus in der DDR auf.

" Hunderte 'Reichsbürger' besitzen Schusswaffen" vom 10. Oktober:

Alle sind erstaunt über die rechtsextremistische Terrorbande in Chemnitz. Eine genaue Angabe, seit wann rechtsextremistische Erscheinungen aufgetreten sind, ließ die offizielle Tabuisierung des Rechtsextremismus in der untergegangenen DDR durch die weit mehr als selbstvergessene SED nicht zu. 1956 wurden in Radeberg ein sowjetisches Ehrenmal mit "Sieg Heil"-Parolen und 1960 ein Kraftwerk bei Cottbus mit Hakenkreuzen beschmiert. In den 70er-Jahren wurden Schändungen jüdischer Friedhöfe in Zittau, Potsdam und Dresden bekannt. Ende der 70er-Jahre soll es neben Hakenkreuzschmierereien auch zu Vorfällen gekommen sein, bei denen der Hitler-Gruß gezeigt wurde.

1986 kam es in Halle zu dem ersten bekannt gewordenen Überfall auf ein Ausländerwohnheim. Mitglieder einer 1986 gegründeten "Lichtenberger Front" beteiligten sich am 17. Oktober 1987 am Überfall auf die Besucher eines Punk-Konzerts in der Ostberliner Zionskirche. Zwischen November 1987 und Anfang Juli 1988 fanden mindestens neun Prozesse statt, in denen 49 Personen im Alter von 16 bis 25 Jahren wegen zahlreicher Gewaltakte und wegen Handlungen mit rechtsextremistischem Hintergrund abgeurteilt wurden.

Eine 1988 von Jugendlichen im Alter zwischen 18 und 21 Jahren gegründete Gruppe "Bewegung 30. Januar" setzte sich das Ziel der deutschen Wiedervereinigung, des Kampfes gegen Ausländer und gegen die Ausbreitung eines "undeutschen Lebensstiles". Ende Juli 1988 wurden vier junge Arbeiter im Alter zwischen 19 und 21 Jahren in Königs Wusterhausen verurteilt, die Jugendliche misshandelt und Tanzveranstaltungen mit dem Ziel aufgesucht hatten, Angst zu verbreiten. Zur gleichen Zeit wurden zwei 21 und 28 Jahre alte Männer in Neu-Brandenburg schuldig gesprochen, vor einem LPG-Lehrlingswohnheim in Friedland randaliert, Beschädigungen am Gebäude vorgenommen und polnische Jugendliche beschimpft zu haben.

Im Dezember 1988 wurden kurz hintereinander von Unbekannten sowjetische Ehrenmale in Berlin-Treptow und in Gera geschändet. Ein Ostberliner Gericht verurteilte drei Jugendliche im Juni 1989 zu Freiheitsstrafen, weil sie vier Afrikaner auf offener Straße angerempelt und verprügelt hatten.

Jürgen Gojny, Dortmund

© SZ vom 23.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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