Radon:Edel und tödlich

Alphateilchen können das menschliche Erbgut in den Zellen schädigen. Das macht das radioaktive Gas Radon in Gebäuden so gefährlich - gefährlicher als Röntgenstrahlung.

Von Jochen Bettzieche

Radon stammt aus gutem Hause. Es gehört zur Gruppe der Edelgase. Chemisch ist es daher unter anderem verwandt mit Helium - Füllgas für Luftballons - und Neon, dem Namensgeber der Neonröhre. Von den natürlich vorkommenden Edelgasen ist Radon das dickste und schwerste, oder, korrekt ausgedrückt, das mit den meisten Protonen und Neutronen im Kern und dem größten Atomradius. Und dann hat es noch eine kleine aber gemeine Besonderheit: Es ist radioaktiv.

In der Natur kommt es in vier Spielarten vor, den Isotopen. Sie unterscheiden sich in der Zahl der Neutronen im Atomkern. Alle vier sind Alphastrahler. Das bedeutet, im Laufe der Zeit verlassen zwei Protonen und zwei Neutronen - das Alphateilchen - den Atomkern. Aus Radon wird Polonium.

Von den vier Isotopen des Radons macht Radon 222 den größten Teil aus, ungefähr 90 Prozent. Ausgerechnet dieses Edelgas kann aus dem Erdreich durch Kellerwände in Gebäude gelangen und bedroht dort die Gesundheit der Menschen. Nach Angaben des Bundesamts für Strahlenschutz in Berlin ist die Bedrohung im Durchschnitt um mindestens den Faktor 100 relevanter als die heutigen Folgen des Reaktorunfalls in Tschernobyl im Jahr 1986.

Eigentlich sind Alphastrahler nicht sonderlich gefährlich. Die Teilchen sind zwar groß, aber im Vergleich zu anderen ionisierenden Strahlenarten langsam. Und ihre Eigenschaften haben einen weiteren Vorteil, erläutert Annette Röttger, Leiterin der Abteilung ionisierende Strahlung an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig: "Alpha-Teilchen kann man gut abschirmen, eine Postkarte reicht aus." Eine Bleischürze wie bei einer Röntgenaufnahme benötigt also niemand, der Radon im Keller hat und mal eben kurz die Wäsche aus der Waschmaschine holen will.

Selbst Radon einzuatmen, ist harmlos. "Das Edelgas hat eine Halbwertszeit von 3,8 Tagen, das atmet man wieder aus, bevor es zerfällt und dabei Alphateilchen aussendet", sagt Röttger. Halbwertszeit, das ist die Zeit, die es dauert, bis von einer vorgegebenen Menge eines radioaktiven Stoffes nur noch die Hälfte da und der Rest zerfallen ist.

"Ein Alphastrahler im Körper ist 20 mal so gefährlich wie Röntgenstrahlung."

Klingt alles halb so wild. Ist es aber nicht. Denn genau diese Zerfallsprodukte sind das Problem. Alle Folgeprodukte des Radons sind Metalle und nicht gasförmig. Da sich das Edelgas aber beim Zerfall im Keller in der Luft befindet, entstehen diese Metalle in der Luft. Dort lagern sie sich an Aerosolen an, winzigen Schwebeteilchen. So gelangen sie beim Atmen in die Lunge.

Dort strahlen sie munter vor sich hin und senden Alphateilchen aus, die durch den Körper schwirren. Das macht sie so gefährlich. Steht ein Alphastrahler auf einem Tisch vor einem Menschen, geht ein großer Teil der Strahlung an diesem vorbei. Gegen den Rest kann er sich abschirmen. Beides ist bei einem Strahler im Körper nicht der Fall. "Ein Alphastrahler im Körper ist 20 mal so gefährlich wie Röntgenstrahlung", weiß Röttger.

Diese biologische Wirkung ist fatal. Denn irgendwann wird das Alphateilchen auf eine Zelle des menschlichen Gewebes treffen. Da es groß und schwer ist, richtet es dort erheblichen Schaden an. "Sobald es auf die DNA in einer Zelle trifft, bricht diese, und weil das Teilchen so massereich ist, bricht die DNA oft an zwei Stellen gleichzeitig", erläutert Röttger. Doppelstrangbruch durch dichtionisierende Strahlung heißt das. Die Folgen sind drastisch, denn der Reparaturmechanismus der Zelle funktioniert dadurch nicht mehr so gut. Röttger erklärt, was das bedeutet: "Das Erbgut ist verändert, es kann ein Tumor in der Lunge entstehen."

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