Pflege:Vieles ist schiefgelaufen

Leser nehmen die Pflegeversicherung und die Reformen dazu aufs Korn: Sie schreiben von reichen demenzkranken Alten, die eingesperrt seien und von Tausenden Pflegern, die nicht Vollzeit arbeiten dürften.

Zu "Die Zukunft rollt" vom 13./14. April:

Der Stellenschlüssel wurde im Juni 2017 von der Politik auf eine Personaluntergrenze angehoben mit dem Ergebnis, dass Stationen oder Pflegeheime aus Personalmangel schließen müssen oder zeitweise einen Aufnahmestopp verhängen. Deutschland entwickelt sich zweifellos zum Altenheim Europas, denn obwohl der Stellenmarkt leergefegt ist, werden munter Pflegeheime gebaut. Unterdessen erforschen die Universitäten den Grund für Teilzeitbeschäftigungen in der Pflege. 2017 sei in den östlichen Bundesländern keine Vollzeitstelle zu finden gewesen, immerhin würden 46 Prozent der Altenpfleger dort ungewollt in Teilzeit arbeiten (aus einem Antwortschreiben vom Patientenbeauftragten der Bundesregierung). Baden-Württemberg finanziert eine Studie in der ambulanten Pflege mit mehr als 730 000 Euro. Care4Care: Unter dem Motto "Zufrieden pflegen und gepflegt werden" besteht das Ziel des Projekts darin, Handlungsansätze zu entwickeln, die dazu beitragen, neue Pflegefachkräfte zu gewinnen, im Beruf zu halten und die Attraktivität des Pflegeberufs zu erhöhen.

Was hat sich verändert? Die Einstufungen des medizinischen Dienstes sind präziser geworden, die Kassen zahlen eine bestimmte Anzahl Windeln pro Monat, die Hausärzte legen praktisch keine Dauerkatheter mehr beim Patienten zu Hause, auf Dauer gelähmte Patienten bekommen von den Kassen auch mal eine Verordnung für ein halbes Jahr ausgestellt, die Bürokratie wurde etwas oberflächlicher, Pflegekräfte leisten bei Bedarf mehrere Wochenenden Dienst und stocken den Teilzeitvertrag einfach mit Überstunden auf Vollzeit auf - bei einem hypothetischen Gehalt von 30 Euro pro Stunde machen wir Pflegefachkräfte das gerne.

Eva Krebs, Lauffen am Neckar

Auch in leer stehenden alten Hotels am Kurfürstendamm werden Alte, die genug gespart haben, mit ihren letzten Möbeln in Appartements einquartiert. Die Türen sind verschlossen, und eine Sozialstation zum Billigtarif kümmert sich dann um diese reichen Alten. Wegen demenzieller Erkrankungen wird die gesamte Etage dann abgeschlossen. Besucher stehen vor verschlossener Tür. Auch das gibt es im reichen Deutschland, vor allem nach der Wende kam dann der Spartarif mit billigen Pflegekräften aus Osteuropa.

Ulf Fink, damals Gesundheitssenator in Berlin, hat die Sozialstationen in Berlin, nach einem Modell der damaligen BRD eingeführt, weil Krankenhausbetten für chronisch Kranke zu teuer sind. Die Folgen sind bekannt. Familien mit chronisch kranker Oma wird Geld aus der Tasche gezogen. Sie wird vom Arzt verordnet in ein teures Pflegeheim eingewiesen, mit wenig Personal und keinerlei therapeutischer Begleitung. Es werden Pflegeheime gebaut, staatliche Gelder fließen ohne therapeutisches Konzept, denn das wäre ja sehr teuer für die Sozialkassen.

Elsbeth Schwanewedel, Berlin

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: