Süddeutsche Zeitung

Pflege:Es geht um Menschen

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Die Argumente zur ausreichenden Versorgung müssen vom pflegebedürftigen Menschen her gedacht werden und nicht in den Kategorien der Wirtschaftswelt, schreibt ein Leser. Es geht schließlich um den Lebensabend unserer Angehörigen.

"Große Pflege-Koalition" vom 23. Februar:

Und wieder ein Artikel über Sofortmaßnahmen gegen den Pflegenotstand. Und wieder erfolgt die Einleitung mit den Schwierigkeiten, mit denen Pflegeeinrichtungen zu kämpfen haben. Und wieder geschieht die Problemverlagerung sehr schnell hin zur Bezahlbarkeit, zur Attraktivität des Pflegeberufes, zum Arbeitskräfteangebot im Pflegeberuf, zu den Stellschrauben, an denen gedreht werden muss, um unsere bei den Pflegekassen gesparten Pflegegelder entsprechend zu verteilen. Die eigentliche und zutreffendere Fragestellung wird dabei allerdings außer Acht gelassen. Menschen diskutieren über ihre Angehörigen in den Gedanken der Wirtschaftswelt, gerade so, als würde man über ein Serviceprogramm reden und darüber zu entscheiden haben, wie ein alterndes Auto kostengünstig instandgehalten werden kann.

Wenn man den Inhalten der Todesanzeigen Glauben schenken darf, werden in diesen Anzeigen die Angehörigen beschrieben, die einem am nächsten stehen und einem am liebsten sind, Eltern und Großeltern. In der Zeit vor dem Tod benötigen gerade diese Menschen, und das sind unsere lieben Eltern und Großeltern, häufig Pflege und intensive Zuwendung. Die dazugehörigen Fragen wären deshalb, wie viel Zuwendung, Aufmerksamkeit und Hilfestellung unseren Eltern und Großeltern zugestanden werden muss, welche Mindeststandards in Betreuung und Pflege in jedem Fall eingehalten werden müssen, wie Kontrollen zur Einhaltung aussehen müssen, damit ein menschenwürdiges Leben auch im Alter möglich ist. Die Argumente zur ausreichenden Pflegeversorgung unserer älteren Angehörigen müssen vom zu pflegenden Menschen her gedacht werden und nicht wirtschaftlich, von dem nach Gewinnmaximierung strebenden Pflegeheimmarkt mit seinen millionenschweren Gewinnen, übrigens nach Bezahlung von Vorstand, Managementteam, Aufsichtsrat, wissenschaftlichen Beiräten und Dividenden für Aktionäre.

Es ist Aufgabe der Angehörigen, aber auch Aufgabe der Gesellschaft, unsere Senioren beim Altern zu begleiten und ihnen einen würdevollen Lebensabend zu ermöglichen. Dann sind ausreichende Personalschlüssel, qualifiziertes Pflegepersonal und transparente Kontrollen eine Selbstverständlichkeit.

Günter Neumann, Amberg

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Quelle:
SZ vom 12.03.2018
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