Pfingsten :Teilhabe sieht anders aus

Paulus als Apostel der Inklusion?Das sehen viele Leser nicht so. Als Beleg zitieren sie Textpassagen, in denen sich der Schriftgelehrte homophob und kritisch gegen Andersgläubige äußerte.

Zu "Der Paulus-Weg" vom 8./9./10. Juni:

In seiner diesjährigen Pfingstpredigt entwirft Heribert Prantl eine exzellente Blaupause für emanzipative und solidarisch politische Theologie im 21. Jahrhundert. Gesellschaften und etliche Gruppierungen, nicht nur die Kirchen, stehen vor der Aufgabe, die richtige Balance zwischen zu wenig und zu viel Offenheit zu finden. Paulus ist wohl ein ambivalenterer (Vor-)Denker der Inklusion, als der Autor es andeutet. So sprach sich der Apostel gegen Homosexualität (Röm 1,26-27) und für unbedingten Gehorsam gegenüber der Obrigkeit aus (Röm 13,1-2). Das passt kaum zu Prantls liberalem Ansatz.

Sebastian Wolf, Konstanz

Die Idee des Autors vom "Inklusionsapostel" ist ein hervorragendes Beispiel für das Weltweite und Überzeitliche des Christentums: Jede Epoche mit ihren spezifischen Herausforderungen lässt uns dieses in einer neuen Dimension verstehen. Unbegreiflich indes, dass der Autor ohne Not auf der reduktionistischen Entmythologisierungsschiene fährt und das Zentralereignis im Leben des Paulus als eine "Legende" abtut und medizinische Aspekte ins Spiel bringt. Paulus' Wirken und seine Lehre gründen allein auf der mystischen Christus-Erfahrung vor Damaskus. Ihn zu feiern und zugleich diese Tatsache zu negieren ist ebenso inkonsequent wie Prantls Spekulation, diejenigen Stellen in Paulus' Lehre, die heute frauenfeindlich (und übrigens auch homophob!) anmuten, seien gar nicht von ihm. Anerkennen wir doch diesen wirkmächtigen Apostel in seiner Größe - und auch in seinen Einseitigkeiten, in denen er uns als ein Kind seiner Zeit erscheint, obwohl er uns noch heute so viel zu sagen hat.

Johannes Roth, Kassel

Der Autor hat recht damit, dass Paulus als Begründer des christlichen Abendlandes gelten muss. Dass dies ein Inklusionsprojekt gewesen sei, ist fragwürdig. Dass das Christliche im "christlichen Abendland" zum Adjektiv verkommen ist, sagt viel aus. Die römisch-griechische Zivilisation sah sich bedroht durch den Ein-Gott-Glauben des Volkes Israel und Paulus hat sich dieser Angst angenommen, indem er dieser Zivilisation eine neue Identität gab. Eine Identität, die in ihrem Kern aus der Philosophie der Antike bestand, ein komplexes philosophisches Gebäude namens Dreieinigkeit, anstelle des Ein-Gott-Glaubens des Volkes Israels und aller Propheten seit Adam. Wie sich später mehrmals zeigte, bedurfte diese Identität aber auch immer wieder der Exklusion derer, die nicht zu ihr gehören sollten, mal das Volk Israel und in den vergangenen Jahren die Muslime. Möge in Zukunft Jesus selbst in der Mitte stehen, wenn sich Menschen auf die Suche nach ihrer Identität machen.

David Capelle, Kuala Lumpur/Malaysia

"Wer den Herrn nicht liebt, sei verflucht" (1. Kor, 16,22) ist nur eine von vielen Vernichtungsfantasien für Andersgläubige in den Briefen von Paulus. Paulus als globaler Inklusionscoach - wer glaubt denn so was?

Rudolf Weiß, Taufkirchen

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