Pendlerpauschale:Einfach kürzen ist ungerecht

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Jahrelang sollte flexibel und mobil sein, wer Karriere machen wollte. Nun müssen Arbeitnehmer womöglich bald draufzahlen, wenn sie zum Job pendeln. Das ist nicht fair, birgt soziale Härten, sagen Leser.

Zu "Pendler haben oft keine Wahl" vom 5./6. Oktober und "Prämie für Umzugsverweigerer" vom 30. September:

Wer hat denn vor Jahren nahezu alternativlos gefordert, dass diejenigen, die in unserer sozialen Marktwirtschaft überleben wollen beziehungsweise eine ihrer Ausbildung gemäße Stelle bekommen wollen, gefälligst zur Kenntnis zu nehmen haben, dass der Preis hierfür in der Bereitschaft zu einer hohen Mobilität liege?! Diese Regierung, die in Umrissen Züge einer Erfüllungsgehilfin von Wirtschaft und Industrie erkennen lässt, hechelt opportunistisch einer Entwicklung hinterher, die sie jetzt kalt erwischt hat - weil Grundsätze zu formulieren und Weichen zu stellen bereits vor 15 Jahren hätte stattfinden müssen.

Dr. Volker Dieselhorst, Wirscheid

In den Überlegungen von Prof. Dr. Heinemann zur Pendlerpauschale wird der Pendler zu Unrecht auf eine rein ökonomische Größe reduziert. Sehen wir einmal von dem latent diskriminierenden Begriff der "Umzugsverweigerer" ab, dann liegen der Entscheidung zum Arbeitspendeln auch, und oftmals in erster Linie, emotional-soziale Ursachen zugrunde. Der Ortswechsel bedeutet immer die Trennung vom sozialen Umfeld. Während man dies als junger Mensch auch oftmals bewusst sucht, so fällt es mit zunehmendem Alter schwerer, und es erfordert längere Zeiträume, sich Bekanntschaften und Freundschaften neu aufzubauen.

Bedenkt man zudem die Befristung vieler Arbeitsverträge beziehungsweise die Unsicherheit von Arbeitsplätzen, dann bietet der langfristige Wohnort eine lebensnotwendige Kontinuität. Zudem kann man nicht davon ausgehen, dass Partner oder Partnerin ebenfalls den Wohnort wechselt und eine zufriedenstellende Arbeitsstelle findet. Bei Kindern im schulpflichtigen Alter stößt der Ortswechsel gleichfalls auf einsehbare Probleme.

Dr. Mathias Wagner, Berlin

Meiner Meinung nach muss vor einer Abschaffung oder Kürzung der Pendlerpauschale erst der Wohnungsmarkt stabilisiert werden. Andernfalls würde der Run auf die Städte noch verstärkt, was die Mieten weiter nach oben treibt. Eine zu schnelle Abschaffung der Pendlerpauschale ist auch sozial ungerecht, denn sie bestraft diejenigen, die sich keine Wohnung in Ballungsgebieten wie München mehr leisten können.

Michael Oberseider, München

© SZ vom 02.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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