Süddeutsche Zeitung

Pandora Papers:Steuerschlupflöcher? Alle dichtmachen!

SZ-Leserinnen und -Leser loben die investigative Berichterstattung - und teilen die Empörung darüber, dass es beim Entrichten von Abgaben noch immer nicht gerecht zugeht.

"Verdammt noch mal!" vom 9./10. Oktober sowie zur Berichterstattung über die "Pandora Papers":

Protestbewegung

Herzlichen Dank und Glückwunsch den beiden Autoren des "Wutausbruchs"! Dieser Text sollte für alle Verhandler der sich anbahnenden Koalition Pflichtlektüre sein. Was muss eigentlich passieren, damit diese engagierten Aufklärer in einigen Jahren nicht wieder resigniert feststellen: "Geändert hat sich nichts?" Wir bräuchten eine weltweite Protestbewegung gegen Steuerbetrug und Steuervermeidung, ähnlich den "Fridays for Future". Wer macht den Anfang? Vielleicht finden sich ja einige Künstler, Schauspieler und andere Prominente, die eine Aktion gegen Steueroasen starten. Ihr Motto von der Aktion gegen die Corona-Maßnahmen könnten sie leicht verändert übernehmen: "Alle dichtmachen!" Diesmal bliebe ihnen mit Sicherheit ein Shitstorm erspart.

Wilfried Rahe, Mühldorf

Liebesdienst an der Demokratie

Chapeau! Frederik Obermaier und Bastian Obermayer haben Großes geleistet. Wer schon die hartnäckigen Recherchen rund um die Ibiza-Affäre kennt (an der außerdem Leila Al-Serori, Oliver Das Gupta und Peter Münch beteiligt waren; d. Red.), sieht auch hier zwei Wiedergänger Tucholskys am Werk. Obwohl die Zahl der Widersacher Legion ist. Da hat sich nichts geändert. Trotzdem: Weiter so! Und vielen herzlichen Dank für den Liebesdienst an der Demokratie.

Axel Dieks, München

Steuerpflicht durchsetzen

In den Wutausbruch der SZ-Redakteure über die fehlenden Konsequenzen aus den von ihnen aufgedeckten Steuerskandalen seitens unserer Bundesregierung und der EU kann man nur lauthals einstimmen. Doch so sehr die Rolle der SZ und ihres Investigativteams bei der Enthüllung des Steuerbetrugs zu begrüßen ist - ein Teil der Wut sollte sich auch gegen die Kolleginnen und Kollegen in der eigenen politischen Redaktion richten. Schon bei den Panama Papers vor einigen Jahren wurde Lieblingsfeind Putin als Oberschurke des Skandals für die Schlagzeile ausgewählt. Auch bei den aktuellen Enthüllungen findet man auf den Titelseiten vor allem die Putin-Sippschaft mitsamt ihren ukrainischen Gegenspielern neben spanischen und jordanischen Königen, tschechischen Regierungschefs und britischen Ex-Premiers. Und schon rückt die Verantwortung unserer Bundesregierung und der EU in den Hintergrund. Enthüllungen wirken aber nur, wenn sie die Verantwortlichen im eigenen politischen Einflussbereich zum zentralen Objekt des Skandals machen, statt von deren Rolle abzulenken und die Wut gegen die anderen, die üblichen Verdächtigen, zu kanalisieren.

Worauf es jetzt ankäme, liebe Enthüllungskämpfer, wäre, "verdammt noch mal!" (um Euren Wutschrei zu zitieren) dafür Sorge zu tragen, dass die Steuerpolitik in den Koalitionsvereinbarungen, wenn sie denn schon, Lindner zuliebe, den Superreichen keine zusätzlichen Steuerlasten zumuten darf, zumindest dafür Sorge trägt, dass diese sich nicht weiterhin um ihre Steuerpflichten drücken können. Aber das bleibt wohl eine Illusion, wenn erst die Lobby der Steueranwälte sich im Vorzimmer eines FDP-Finanzministers tummeln wird.

Prof. Dr. Theo Rauch, Berlin

Und wer zahlt's?

Vor Jahren hat es einmal ein Kabarettist auf den Punkt gebracht: "Die Armen in den reichen Ländern finanzieren die Reichen in den armen Ländern." Ergänzen muss man diesen Satz noch insoweit, dass die Armen in den armen Ländern in ihrem Elend verbleiben, während sich ihre politischen Repräsentanten auf ihre Kosten bereichern.

Joachim Förster, Hamburg

Steuerlose Schattenwelt

Der Beitrag der SZ ist mal wieder erste Sahne, verdammt noch mal!

Nun zu den Fakten. Leistet der Staat sich etwa den Luxus, zwei Systeme in einem zu unterhalten? Ein offizielles, das von ehrlichen Steuerzahlern finanziert und am Leben gehalten wird, daneben ein Subsystem, ein Schattensystem, das am Tropf einer Steuervermeidungsindustrie hängt, die unter Billigung der Staatsführung wie ein Parasit von seinem Wirt mitdurchgefüttert wird? Das klingt subversiv, als leiste sich der Staat ein zweites Finanzsystem im Untergrund? Bilden Banken, Offshore-Firmen in Steueroasen, Anwalts- und Steuerkanzleien, Vermögensberater, Consulting-Agenturen und Strohmänner so etwas wie eine private "Untergrundarmee", die ihre Auftraggeber mit schmutzigem, mitunter blutigem Geld versorgt und mit Duldung des Staates schalten und walten kann, wie es ihr beliebt? Im Strafrecht nennt man so etwas psychische Beihilfe durch Unterlassen. Betreiben die betroffenen Regierungen gar so etwas wie Sabotage am eigenen Gemeinwesen? Eine Schlussfolgerung daraus wäre: Wer schamlos Steuervermeidungspraktiken nutzt und dadurch dem Gemeinwesen schweren Schaden zufügt, der hat im Grunde genommen den Schutz durch das Steuergeheimnis verwirkt.

Die gegenwärtige Verteilungsschieflage in Deutschland ist mehr ein Fluch als ein Segen. Sie untergräbt nicht nur das Ansehen von Demokratie, Gerechtigkeit und einer freien Gesellschaft, sondern bringt das kapitalistische Gesellschaftsmodell insgesamt in Verruf und die entschärfte Variante einer sozialen Marktwirtschaft gleich mit. Es bleibt abzuwarten, inwieweit ein künftiger Kanzler Olaf Scholz seinen bisherigen, immerhin recht zaghaften Bemühungen, den Steuerflüchtlingen auf den Fersen zu bleiben, in einer Koalition mit FDP und Grünen einen kräftigen Schub wird geben können?

Wolfgang Gerhards, Berlin

Koalitions

anregungen

Danke, danke, danke! Und bitte weiter dranbleiben! Und das tapfere und unermüdliche Rechercheteam vormerken für Bundesverdienstkreuze und andere Auszeichnungen. Es begann nicht erst mit "O wie schön ist Panama". Die Öffnung der Büchse der Pandora ist symbolträchtig und ein weiterer Skandal-Höhepunkt: Es schreit wirklich zum Himmel. Als ehrlicher Steuerzahler fühlt man sich - mit Verlaub - verarscht. Diese Reichen, die den Hals nicht vollkriegen, spalten und zerstören unser Gemeinwesen.

Die Pandora-Leaks kommen gerade zur rechten Zeit: Mein Vorschlag für die Ampel-Verhandlungen, gern auf das Muss der FDP eingehen: keine Steuererhöhungen, aber dafür alle Hebel in Gang setzen, diese Machenschaften zu stoppen, einschließlich der Geldwäsche im Geldwäscheparadies Deutschland mit einem Volumen von 100 Milliarden jährlich. Was sofort das Muss der Grünen finanzieren könnte: den klimagerechten Umbau von Infrastruktur und Industrie mit Kosten in Höhe von 50 Milliarden jährlich. Die SPD würde in Gestalt des Noch-Finanzministers alle Weichen im Ministerium stellen, damit das von einer neuen Regierung unverzüglich umgesetzt werden kann.

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Christoph Störmer, Hamburg

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SZ vom 14.10.2021
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