Süddeutsche Zeitung

Paketdienste:Wider die soziale Marktwirtschaft

Der eine Minister (Heil) will die Paketzusteller haften lassen, wenn Subunternehmer gegen Arbeitsrecht verstoßen. Der andere Minister (Altmeier) warnt vor Belastungen der Wirtschaft. SZ-Leser sind empört.

Zu "Streit auf Bestellung" vom 29. April und "Heil will Paketdienste haften lassen" vom 27./28. April:

Arbeitsminister Heil plant ein Gesetz, wonach (vorenthaltene) Sozialversicherungsbeiträge in der Paketbranche auch nachträglich nachzuzahlen sind, und zwar vom Auftraggeber. Es muss doch inzwischen eine Binsenweisheit sein, dass die "selbständigen Einzelunternehmer" in der Paketbranche alles andere als selbständig sind und die Fahrer sogar noch um den kläglichen Mindestlohn und die damit verbundene minimalste soziale Absicherung gebracht werden. Diese Zustände kennen die zuständigen Ministerien genauso wie jeder Einzelne der sogenannten Nachunternehmer, die selbstverständlich dafür einzustehen haben, welch schwarzes Schaf sie beauftragen. Deshalb ist Heils Gesetzesvorschlag nichts anderes als eine Selbstverständlichkeit. Die Antwort des Wirtschaftsministers ist entlarvend: "Es ist nicht die Zeit für neue Belastungen der Wirtschaft. Die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Belebung des Wachstums müssen Vorrang haben".

Es ist also offizielle Politik, die Wirtschaft durch die Ausbeutung derer, die sie tragen, zu beleben und entlasten. Auf die Schaffung solcher Arbeitsplätze mag man doch gerne verzichten!

Alexander Greiner, Lindau

Es ist schon absurd, wenn sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU) in seiner Ablehnung der Einführung einer Nachunternehmerhaftung in der Paketzustelldienste dazu versteigt, dieses rechtliche Vorgehen belaste die Wirtschaft, die sich in beginnender Stagnation befinde. Wenn die einen nicht zahlen, dann zahlen eben andere.

Das Instrument hat sich in anderen Branchen längst als wirksam erwiesen und zur Bekämpfung von kriminellen Rechtsverstößen skrupelloser Unternehmer gegen die Versicherungspflicht und die Solidargemeinschaft der Beitragszahler (auch der Arbeitgeber) beigetragen.

Altmeier deckt damit offen die verbreitete illegale Praxis von Subunternehmern in der boomenden Paketbranche. Das hat mit sozialer Marktwirtschaft, als deren Gralshüter der Minister sich gerne versteht, nichts zu tun. Arbeitsminister Heils Gesetz wird bald dazu führen, dass in der Paketbranche die Spreu vom Weizen getrennt wird und der Manchester-Kapitalismus aufhört.

Stefan Kaisers, Gießen

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Quelle:
SZ vom 22.05.2019
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