Paketabgabe:Den Wettbewerb fair gestalten

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Die Idee einer Paketsteuer für reine Onlinehändler kommt bei einigen Lesern gut an. Eine solche Steuer diene vor allem dem Ausgleich der Gewerbesteuer-Belastung von Präsenzhändlern.

Zu "Macht hoch die Tür" und "Unionspolitiker wollen Paketsteuer", 21. Dezember:

Die Käufer lieben ihr gutes Gewissen, Nachhaltigkeit, Ökobilanz und Klimaneutralität. Nur bei Online-Bestellungen bleibt der Konsumentenverstand komplett außen vor! Ein Klick, und weg ist der Verstand. Hauptsache schnell geklickt, schnell geliefert und noch schneller umgetauscht beziehungsweise entsorgt. Im Zweifelsfall Bioprodukte. Sollen sich doch die anderen über von sogenannten Kleintransportern verstopfte Innenstadtstraßen, zugeparkte Gehwege, missachtete Verkehrsregeln, rücksichtslose Fahrweise ärgern und gefährden lassen!

Im Dezember habe ich täglich drei bis vier "Beinaheunfälle" durch die Fahrweise der "Paketsklaven" in den Innenstädten und der Peripherie gehabt. Der Sprinter ist der neue Sportwagen. Paketboten beginnen gegen 8 Uhr mit der Auslieferung und sind gegen 12 Uhr maximal drei Straßen weiter. Motor an, Motor aus, Vielfalt der Paketdienste statt Vielfalt im Einzelhandel und der Innenstadt. Wozu brauchen wir gut ausgebildete Fachkräfte im Einzelhandel, wenn wir prekär beschäftigte Paketsklaven haben? Briefporto wird einerseits teurer, und andererseits gibt es Rabatte auf Paketporto für Onlinehändler. Eine Paketabgabe für große und sehr große Onlinehändler ist so notwendig wie sozial verträglich. Quid pro quo.

Christoph Lepper, Soest

Der Versandhandel zählt zu den Gewinnern der Corona-Krise, und die Präsenz der vielen Zulieferfahrzeuge in der Stadt belegt das. Für den Autor ist dies offenbar ein Zeichen für funktionierenden Wettbewerb. Der angedeutete Seitenhieb auf die Briefpost (vermute ich mal) geht allerdings ins Leere. Die Briefpost war seit ihren Anfängen ein Beförderungsprivileg, das nur wenigen zustand. Trotz Abschaffung des Briefmonopols kann heute nur ein Monopol-Unternehmen, mancherorts ein Oligopol, den Briefversand flächendeckend besorgen. Zu der hoheitlichen Aufgabe passt kein Wettbewerb von vielen Postdiensten.

Nun zu den Paketen: Wer sich als Händler niederlässt, muss als Eigentümer oder Mieter zum Beispiel Grundsteuer zahlen. Den Versandhändlern, die mit Fahrzeugen die Straßen nutzen, stehen die Straßen kostenlos zur Verfügung. Hier ist eine Steuer im Sinne einer Straßenbenutzungsgebühr längst fällig und hat nichts mit Strafe, sondern gleichen Chancen im Wettbewerb zu tun. Die Retouren, da hat der Autor recht, ist ein Problem der Händler. Wichtiger ist hier, und da gibt es ja schon Initiativen, den Händlern zu verbieten, den Inhalt der Retouren einfach als Abfall zu entsorgen. Märkte haben noch nie ohne die regelnde und schützende Hand des Staates funktioniert. Diese Gewissheit bleibt auch nach der Krise gültig.

Thomas Scheer, München

Die Forderung nach einer Paketsteuer für den Onlinehandel ist hilfloser Aktionismus der CDU und kontraproduktiv: Es musste offensichtlich erst Corona kommen, damit Politiker endlich erkennen, dass die Innenstädte längst kaputt und verödet sind. Aber Corona ist nicht die Ursache für das Sterben der Innenstädte, sondern es ist die Verdrängung alteingesessener Geschäfte durch gesichtslose und austauschbare Filialen, die nun als "stationärer Einzelhandel" mit Einnahmen aus der Paketsteuer auch noch gefördert werden sollen!

Frank Dost, Neckargemünd

Wie ich den Vorstoß einiger Bundestagsabgeordneter zur Paketsteuer verstanden habe, soll die Nutzung der von den Gewerbesteuer-Zahlern hierzulande bezahlten und bisher den Onlinehändlern unentgeltlich zur Verfügung gestellten Infrastruktur in den Städten zumindest künftig auch von den Rosinenpickern mitfinanziert werden. Gewerbesteuer zahlende Onlinedienste bleiben hiervon ausgenommen.

Eine Strafsteuer für Onlinehändler zur Finanzierung von Subventionen für stationäre Geschäfte kann ich darin überhaupt nicht erkennen. Im Gegenteil: Es ist allerhöchste Zeit, endlich einmal für gleich lange Spieße im Wettbewerb zu sorgen. Mit staatlichen Eingriffen in den Strukturwandel hat das nichts zu tun, eher mit dem Versuch, dem Markt einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen.

Die Amazonisierung des Onlinehandels hat ganz offensichtlich eine kartellrechtlich bedenkliche Entwicklung genommen mit all ihren unschönen Facetten: Massive Arbeitsplatz- und Ausbildungsplatzverluste vor Ort, Verlust fairer Arbeitsplatzbedingungen, Steuermindereinnahmen in gewaltiger Höhe sowohl im kommunalen Bereich als auch bundesweit, Verlust von Aufenthalts- und Lebensqualität in den Innenstädten und - nach erfolgter Marktdurchdringung - steigende Preise.

Ein Paketauto, das mir heute eine Zahnbürste, morgen einen Kugelschreiber bringt, die Zahnbürste übermorgen wieder abholt und am Tag darauf den Kugelschreiber, kann auch ökologisch nicht der viel gerühmte Strukturwandel sein. Zumal die Zahnbürste und der Kugelschreiber dann auch noch in der firmeneigenen Verschrottung entsorgt werden.

Die Folgen eines unkontrollierten zügellosen Onlinehandels werden jetzt endlich auch in Politik und Medien immer mehr registriert.

Franz Eduard Schmid, Moosburg

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