Olympia-Attentat:Grobe Mängel

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Höchst unzufrieden ist ein ehemaliger israelischer Geheimdienstchef mit Willi Winklers Rezension von Ronen Bergmanns Buch "Der Schattenkrieg". Hier ist Zvi Zamirs Sicht auf den 5. September 1972 in München.

"Vergeltung" vom 26. Februar über Ronen Bergmanns Buch "Der Schattenkrieg", eine Rezension von Willi Winkler:

Augenscheinlich versucht Willi Winkler, eine Theorie zu fabrizieren, die impliziert, dass das, was laut meinem Zeugnis passiert ist, gar nicht passiert ist - in anderen Worten: dass der Mossad-Chef lügt. Seine Behauptung, "in Zamirs Kopf muss ein Monumentalfilm abgelaufen sein" ist beleidigend und völlig unangemessen.

Ich kam am Abend des 5. September als Repräsentant des Staates Israel im olympischen Dorf an. Ich beobachtete die Ereignisse in Echtzeit und war ganz nah dran. Ich war Zeuge einiger Ereignisse, zum Beispiel des Gangs der Geiseln vom Bus zu den Hubschraubern im olympischen Dorf, neben Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher und dem ehemaligen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (ebenso wie Shin-Beth-Mann Victor Cohen).

Es fällt mir schwer zu verstehen, wie jemand, der mit Vernunft ausgestattet ist, erwarten kann, dass ich angesichts eines solch schrecklichen Moments - Israelis werden an Händen und Füßen gefesselt von Terroristen geführt, und ich stehe daneben, ohne irgendetwas Konkretes zu ihrer Hilfe beitragen zu können - fähig sein könnte zu unterscheiden, ob ich auf einer Rasenfläche stand oder auf Gras am Wegesrand. Winklers Rückzug auf solche Nebensächlichkeiten zeigt seine Motivation mehr als alles andere.

Sobald ich in Israel zurück war, berichtete ich alles Premierministerin Golda Meir und erst den ältesten Kabinettsmitgliedern, sodann dem gesamten Kabinett. Jedes Mal wurden mir viele Fragen gestellt, auch von Personen, die eine große Erfahrung in diesen Dingen hatten.

Für einen Teil der Aufzeichnungen dieser meiner Berichte hat das israelische Staatsarchiv die Geheimhaltung aufgehoben. Sie sind einsehbar. Überdies stellte ich einen Bericht zusammen, der den entsprechenden deutschen Behörden zugeleitet wurde und ebenfalls veröffentlicht wurde. Tatsächlich bestand keine komplette Übereinstimmung zwischen den deutschen Behörden und mir, aber die Differenzen hatten mit der Abgrenzung der rechtlichen Situation und den Befugnissen der Bundesregierung gegenüber der bayerischen Staatsregierung zu tun.

Man musste keine tief gehende Untersuchung anstellen, um zu erkennen, dass es grobe Mängel auf der operativen Ebene und in der Bereitschaft der bayerischen Regierung gab, ernstzunehmende Maßnahmen zur Befreiung der Geiseln zu unternehmen. Das ist das Hauptelement dieser extrem komplizierten Angelegenheit, und nicht die kleinlichen und unbedeutenden Details, die Winkler sich herausgepickt hat. Bestreitet irgendjemand etwa, dass es keine Lücken in den Sicherheitsvereinbarungen für das israelische Team gab, oder in der Planung und Ausführung der Befreiungsaktion? Tatsache ist, dass meine Kritik an der Art, wie die gesamte Operation ausgeführt wurde, von den Deutschen ernst genommen wurde und zu den Veränderungen ihrer Methoden beitrug. Die Gründung der GSG 9 und die Art, wie das nach Mogadischu entführte Lufthansa-Flugzeug 1977 befreit wurde, sind Beispiele dieses Wandels.

General Zvi Zamir, Direktor des israelischen Geheimdienstes Mossad von 1968 bis 1974

© SZ vom 28.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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