Österreich-Wahl:Die vielen Aussichten des Sebastian Kurz

Der alte und wohl auch neue Kanzler der Alpenrepublik hat alle Optionen, zu koalieren. Die meisten Leser freut das, manche sind skeptisch, vor allem ob des Personals der FPÖ. einer stellt die Frage: Kann Kurz auch lang?

Zu "Aus schwindelnder Höhe" vom 2./3. Oktober, "Falsches Vorbild" vom 1. Oktober und "Wiener Freiheit", 30. September:

Es ist wahr, Sebastian Kurz war bislang - natürlich mangels Gelegenheit - nur auf der Kurzstrecke erfolgreich. Aber die Summe vieler Kurzstrecken ist auch eine Langstrecke, wie es beispielsweise unsere Bundeskanzlerin anschaulich demonstriert. Angela Merkel bezeichnet ihren Weg als Politik der kleinen Schritte, ist damit immerhin seit 14 Jahren im Amt und in der Gunst der Bevölkerung aktuell auf dem zweiten Platz. Kein Wunder, denn sie regiert stets auf Sicht, sie stellt nichts auf den Kopf, sondern rückt nur manches gerade. Und genau das wollen die Menschen in diesen schwierigen Zeiten.

Sebastian Kurz hat nun die Gelegenheit, viele Kurzstrecken möglichst erfolgreich zu absolvieren, und damit zu beweisen, dass daraus auch langfristig gute österreichische Politik ohne "Grauslichkeiten" erwächst. Kurz und gut? Schaun mer mal.

Manfred Fischer, München

Politische Wahlen werden heutzutage von Politikern und Medien nur noch nach möglichen Regierungskoalitionen ausgeleuchtet. Es geht nur noch um Machtoptionen und in den wenigsten Fällen um die Probleme der Menschen, der Gesellschaft und der Welt. Dabei zeigt sich immer deutlicher, dass sich Regierungskoalitionen mit dem damit verbundenen Werkzeug "Fraktionszwang" immer mehr zum Sargnagel der Demokratie entwickeln.

Alleine die ewigen Koalitionsverhandlungen sind ein unzumutbares Gewürge von wenigen Spitzenpolitikern in wenigen Wochen, was dann allerdings für eine ganze Legislaturperiode zum unverrückbaren Handlungsmaßstab wird. Wo bleibt hier die Macht des Parlaments und von unabhängigen Abgeordneten?

Wir brauchen keine Regierungskoalitionen, sondern Gesetzgebungskoalitionen - darin liegt ein großer Unterschied. Die stärkste Partei sollte immer alleine regieren und sich die Mehrheiten für jedes Gesetz im Parlament suchen - ohne Fraktionszwang für die Abgeordneten.

Sebastian Kurz hat mit dem Wahlergebnis tatsächlich alle Freiheiten, nahezu jedes Gesetz nach freien sachlichen Entscheidungen der Abgeordneten durchzubringen. Einmal mit der SPÖ, einmal mit den Grünen und ein andermal mit der FPÖ oder mit Kombinationen aus allen Oppositionsparteien. Das wäre echte Demokratie, in der insbesondere der Lobbyismus mächtiger Interessensgruppen erheblich eingeschränkt ist.

Josef Rödl, Dingolfing

Im Beitrag über die FPÖ wird Parteichef Hofer und Ex-Innenminister Kickl auf der Titelseite der SZ unterstellt, sie könnten die Partei für "bürgerliche, urbane und studentische Wähler" öffnen. Der "FPÖ-Stratege" Andreas Mölzer wird als möglicher Vordenker dieser neuen Linie präsentiert. Wer Mölzer und seine Zeitschrift Aula kennt, weiß, dass dieser darin auch neofaschistische Autoren schreiben lässt, dass Ruth Klüger als Auschwitz-Überlebende beleidigt wurde und dass Mölzer schon in den 1990er-Jahren den Begriff der "Umvolkung" verwendete, um den Untergang seiner österreichischen Heimat durch Fremde zu beschwören. Und wie will Herbert Kickl zum "bürgerlichen Politiker" mutieren, der in seiner Rede vom 29. Juni 2017 in Wieselburg für Flüchtlinge "ganz andere Unterbringungsarten" als ein Zelt forderte und sich über notleidende Menschen lustig machte. Selbst der bürgerliche und kluge Literaturwissenschaftler Heinrich Detering, der sicher nicht auf der politischen Linken zu verorten ist, hat in seiner aktuellen Analyse "Zur Rhetorik der parlamentarischen Rechten" darauf hingewiesen, viele kritische Menschen seien rasch mit den Ausdrücken "Nazis" und "Faschisten" zur Hand. Er schreibt aber auch: "Ich möchte gern dagegen fragen: Wo sollte man diese Begriffe bei der Hand haben, wenn nicht hier?"

Prof. Dr. Klaus Weber, Neuried

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